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Grüße vom Synoden-Dom

Grüße vom Synoden-Dom

Beate Hirt
Ein Beitrag von Beate Hirt, Senderbeauftragte der katholischen Kirche beim hr, Frankfurt
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Ich habe den Frankfurter Dom umgetauft. Nur für mich erst mal – aber wer weiß, vielleicht lassen sich irgendwann auch google und die Hersteller von Frankfurter Stadtplänen überzeugen. Seit letzter Woche schreibe ich unter meine Emails aus meinem Büro in der Frankfurter Innenstadt nicht mehr: Liebe Grüße vom Frankfurter Kaiserdom! So wie bisher oft. Sondern: Liebe Grüße vom Frankfurter Synoden-Dom!

Vom 30. Januar bis 2. Februar hat rund um den Dom eine ganz besondere Versammlung stattgefunden, in den Nachrichten war einiges davon zu hören: Rund 230 Katholikinnen und Katholiken sind zusammengekommen zur ersten Vollversammlung des so genannten „Synodalen Wegs“. Das ist ein Reformprozess der katholischen Kirche. Die 230 Menschen in Frankfurt haben zusammen Gottesdienst gefeiert, gebetet – und sie haben begonnen, sich über neue Strukturen und Haltungen der katholischen Kirche in Deutschland Gedanken zu machen. Vier große Themen haben sie sich dafür vorgenommen: das Thema „Frauen in der Kirche“, das Thema „Priesterliche Existenz“, dann das wichtige Thema „Liebe und Sexualität“ und schließlich ein Thema mit dem Titel: „Macht und Gewaltenteilung.“

Bereits Jakobus und Lukas mahnen: keine Unterschiede

Das Besondere an diesem Thema war für mich: Es hatte gleich ziemliche Auswirkungen auf die Art der Versammlung. Denn normalerweise kenn ich große Zusammenkünfte meiner katholischen Kirche, ich gestehe es, eher nach dem Modell „Kaiserdom“: Da gibt’s die Mächtigen, die auch gleich schon gekleidet sind wie Kaiser und Könige, Männer in prächtigen Gewändern. Keine Kronen, aber immerhin Bischofsmützen auf den Köpfen. Sie ziehen als erste in den Raum ein und sitzen ganz vorne. Hierarchie, die ist in der katholischen Kirche traditionell ziemlich wichtig. Obwohl sie in der Bibel immer wieder auch ganz schön kritisch gesehen wird. „Er stürzt die Mächtigen vom Thron“, heißt es zum Beispiel in einem wichtigen biblischen Lied, dem Magnificat (Lukas 1,52). Und dann gibt es da auch diese Zeilen aus dem Jakobusbrief der Bibel, da heißt es: „Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz du dich auf den guten Platz! Und zu dem Armen sagt ihr: Du stell dich oder setz dich dort zu meinen Füßen! – macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und seid Richter mit bösen Gedanken? … Wenn ihr aber nach dem Ansehen der Person handelt, begeht ihr eine Sünde…“ (Jakobus 2,2-4.9) Ziemlich stark, finde ich. In den Versammlungen der Christen soll es eben gerade nicht um Macht und Ansehen und Hierarchie gehen. Es sollen keine Unterschiede gemacht werden.

Sitzordnung nach Alphabet statt Hierarchie

Vorne die Mächtigen, in den hinteren Reihen die eher Ohnmächtigen. So sieht das ja nicht nur in katholischen Versammlungen oft aus. Auch in Zusammenkünften von großen Firmen oder Vereinen. Und reden dürfen da vor allem auch diejenigen, die etwas zu sagen haben. Bei der katholischen Vollversammlung vor zehn Tagen in Frankfurt lief das ein bisschen anders, und das hat mich wirklich fasziniert. Das fing schon mit dem Eröffnungsgottesdienst im Frankfurter Kaiserdom an: Da zogen alle 230 Teilnehmenden feierlich in den Raum ein, durch den Mittelgang auf ihre Plätze, und man konnte äußerlich - bis auf zwei, drei – nicht unterscheiden: Ist das jetzt ein Kardinal oder ein Vertreter der so genannten „Laien“, ein Gemeindereferent oder vielleicht ein Jurist? Nicht einmal aufs Alter kam es an beim Einzug – Jugendliche und gesetztere Damen und Herren liefen bunt durcheinander gewürfelt in die Kirche hinein. Alles einfach Menschen, die sich zusammen auf einen Weg machen wollen. Synodaler Weg meint genau das: Da sind Menschen gemeinsam auf dem Weg. Nicht hierarchisch, sondern auf Augenhöhe.

Bunt gemischt im Versammlungssaal

In Frankfurt ging es genauso auch später im Versammlungssaal weiter: Da saßen die 230 Teilnehmenden nicht nach Rangordnung sortiert, sondern: einfach nach Alphabet. Eine ziemlich geniale Idee. So gab es keinen schwarzen Block der Kleriker oder einen lila Haufen der Frauen. Bischof Ackermann aus Trier saß neben Frau Abeln vom Katholikenrat aus Osnabrück, und der Erzbischof Becker neben Frau Becker von der GCL, der „Gemeinschaft christlichen Lebens“. Schwarz gekleidete Eminenzen neben jungen Frauen in Orange. Und auch die Redezeit war für alle gleich. Alle mussten sich kurzfassen, Jugendvertreter genauso wie Professoren und Bischöfe. Das gefiel natürlich nicht allen. Unmittelbar nach Ende der Versammlung, am Samstagmittag, sprach der Kölner Kardinal ins Mikro: „Dass da jeder gleich ist“, das hat für ihn „nichts mit dem zu tun, was Katholische Kirche ist und meint.“ Das sahen viele in Frankfurt und in der Republik allerdings ganz anders. Sie fanden es gerade toll, dass bei der Synodalversammlung gleich und auf Augenhöhe gesprochen wurde. Und viele bezogen sich dabei auf eine Bibelstelle im Galaterbrief: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich. Denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ (Galater 3,27-28). Am Anfang des Weges der Christenheit stehen Gleichheit und Augenhöhe.

Offener Austausch auf Augenhöhe

Gespräche unter Gleichen und auf Augenhöhe, das heißt auch: Jeder darf und soll reden ohne Angst. Mit Freimut. Das war ein Wort, das in Frankfurt bei dieser Synodalen Versammlung oft gefallen ist. Freimut. Darin stecken ja gleich zwei wichtige Wörter: Frei und Mut. Und so haben tatsächlich viele geredet, frei und mutig. Besonders beeindruckt haben mich zwei junge Leute, eine Frau und ein Mann, die von ihrer sexuellen Orientierung gesprochen haben. „Nicht heterosexuell, nicht einmal binär“ sind sie, haben sie gesagt, und natürlich war klar: Damit passen sie so gar nicht ins gängige Moralschema der versammelten katholischen Kirche. Der junge Mann hat sich außerdem als Betroffener, als Überlebender von sexualisierter Gewalt offenbart. Wie mutig, vor über 200 Menschen, die er nicht kennt und die ja zum großen Teil kirchliche Verantwortliche sind, und noch dazu im Livestream in aller Internet-Öffentlichkeit. Er hat sich getraut, von sich zu reden, von seinen tiefsten Verletzungen. Er hat sich getraut, die Wahrheit zu sagen. Freimut und Wahrheit, die gehören ja auch so eng zusammen. Und auch viele andere in der Frankfurter Kirchenversammlung haben frei und mutig gesprochen. Ordensfrauen, Priester, die von ihren Sorgen und Zweifeln Zeugnis abgelegt haben.

Frei und mutig miteinander reden

Ich habe viele von diesen Wortmeldungen mitverfolgt im Livestream, und ich war wirklich beeindruckt. Und irgendwie auch froh und inspiriert. Ich habe die Hoffnung in mir gespürt: So kann das ja weitergehen. So wird wirklich Begegnung und Verständigung wachsen in unserer Kirche. So können wir gemeinsam einen neuen Weg finden, mit dem viele Menschen sich identifizieren können. Und vielleicht geht das nicht nur in der katholischen Kirche. Auch anderswo in unserer Gesellschaft ist das ja vonnöten: Dass Menschen sich trauen, auf Augenhöhe und mit Freimut miteinander zu reden. Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft. Aber Kaiser und Könige gibt es, manchmal subtil und versteckt, ja noch an vielen Orten. Ich glaube: Es ist wichtig, wirklich die Gleichheit und Freiheit unter uns Menschen zu entdecken und zu leben. Jedem Rederecht zu geben, gerade auch denen, die verletzt sind und Schwieriges zu erzählen haben.

„Grüße vom Frankfurter Synoden-Dom“, so schreib ich es jetzt oft unter meine Emails. Und darin steckt für mich die Erinnerung und die Ermutigung, auch natürlich an mich selbst: Wir sollen einander mit Respekt zuhören. Wirklich mit Respekt und Geduld und offenen Ohren. Wir sollen uns trauen, freimütig zu reden. Dann kann Neues wachsen, in der katholischen Kirche und an vielen Orten in unserer Gesellschaft.

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