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Der Mut zum Selbstzweifel
Bildquelle: annca/Pixabay

Der Mut zum Selbstzweifel

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Viele meinten, sie hätten den Teufel gesehen. Vor fünfzig Jahren. Da erzählten Rundfunk und Fernsehen in den USA von einem Charles Manson. Der hatte eine kleine Sekte um sich und befahl Morde. Am 9. August war es besonders schlimm. Die Mörder gingen einfach in ein Haus und brachten Menschen um. Unter anderem die schöne und hochschwangere Sharon Tate, Verlobte des Filmemachers Roman Polanski. Die Mörder handelten auf Befehl des Charles Manson, einem völlig verstörten Geist. Mal war er Jesus, mal der Rächer. Oder er zeigte seine Stirn mit einem Hakenkreuz. In ihm war ein Ungeist, der keinen Mord scheute. Manson saß dann fast fünfzig Jahre im Gefängnis, bis er vor einem halben Jahr starb. Auf Bildern wirkt er wie der Teufel.

Er war aber keiner. Er war einfach ein Mensch. Ein wirrer, verstörter Mensch, der an die weiße Rasse glaubte, an ihre Überlegenheit und meinte, Gott sei auf seiner Seite, auf Seite der Weißen, der Klugen. Und er, Manson, sei auserwählt. Er sei Satan und Jesus zugleich. Der uneheliche Charles, der lange im Erziehungsheim leben musste, hat sich das alles so lange eingeredet und geglaubt, bis er sich wertvoll fühlte. Bis er endlich wer war, wie man so sagt. Und Befehle erteilte, auf die man hörte. Bis zum Schrecklichen. Das Böse braucht keinen Teufel, keine Monster. Es sitzt einfach in Menschen, die es tun. Sogar mit gutem Gewissen. Das ist ja das Schlimme: böse Menschen finden nicht, dass sie böse sind. Sie finden sich richtig. Sie erkennen nicht mehr, was gut ist und was böse. Sie finden sich noch gut, wenn sie böse sind. Sie sind schwer krank. Andere leiden darunter.

Uns bleibt die Ohnmacht. Und dann noch etwas: Demut, dieser Mut zum Selbstzweifel. Wir allein bestimmen nicht, was gut ist. Andere müssen uns helfen. Wir sind ja nicht Gott, machen nie alles richtig und gut. Wir müssen an uns zweifeln, andere fragen, auf ihre Worte und Gesten hören. Bin ich die, die ich sein will? Bin ich der, der von sich sagt, er sei gut? Demut ist Mut zum Selbstzweifel. Man kann schnell böse werden, wenn man immer meint, gut zu sein. Ist man nicht. Darum bittet man lieber: Wenn ich auf bösem Weg bin, Gott, dann leite du mich auf einen guten Weg(Ps.139,24).

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