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Atempausen
Pixabay/Mabel Amber

Atempausen

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt
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Mein Radweg am Morgen führt am Main entlang. Der Himmel leuchtet in zartem Rot. Die Sonne spiegelt sich auf dem Wasser, Schwäne ziehen lang eine Bahn. Die Geburt eines Tages. Neu und unberührt liegt er da, so als wartet er darauf, gefüllt zu werden. An jedem Sonnenmorgen berührt mich dieses Bild wieder. Gleich beginnt mein Arbeitsalltag. Da müssen viele Dinge erledigt, Gespräche geführt werden. Manchmal bleibt da kaum Luft zum Atmen. Jetzt im Morgenlicht am Main erlebe ich mich anders – frei und offen. 

Die Bibel sieht Menschen als Teil der Schöpfungsbewegung Gottes, als seine „Geschöpfe“. In der Bibel wird erzählt: Gott haucht dem Menschen den Odem – den Atem des Lebens ein. Das menschliche Leben beginnt durch einen sanften Hauch, durch den Atem Gottes. Zart und leise beginnt der Weg der Schöpfung wie ein früher Sonnenmorgen.

Am Main an einem sonnigen Morgen gönne ich mir eine kurze Atempause. Zwei bis drei Minuten einfach stehen und staunen: Sonne, Licht, Farben, Bewegung. Alles fügt sich in einer guten Ordnung ineinander – harmonisch und schön. Mit meinem Geist kann ich nicht begreifen, was ich sehe. Ich sehe – ich spüre einfach. Der Ursprung dieser Ordnung bleibt für mich ein Geheimnis. Ich lebe aus einer Kraft, die ich selbst nicht schaffe. Die Bibel nennt ihn Gottes Atem. Er atmet in mir.

Diese Atempausen sind mir wichtig. Für mich sind sie „geistliche“, ,,spirituelle“ Atempausen. In diesen Momenten unterbreche ich meinen Alltag für einen Moment. Ich lasse das Normale zurücktreten. Und öffne meine Gedanken für den Lebensatem Gottes. Dann spüre ich: Das, wovon ich lebe, fließt so selbstverständlich in mir wie mein Atem. Gott ist da. 

Für solche Atempausen gibt es natürlich viele Möglichkeiten: einfach einen Weg bewusst gehen. Ein Bild in Ruhe betrachten. Sonne auf der Haut spüren. Das regelmäßige Gebet, wie es auch viele Muslime tun. Der Sonntagsgottesdienst. Nach solchen Atempausen gehe ich anders in meinen Alltag zurück.

Gerade jetzt in den Urlaubszeiten steht für viele die Atempause im Mittelpunkt. Während des Urlaubs im wahrsten Sinne des Wortes einmal „Luft holen“, zur Ruhe kommen, neue Kräfte sammeln. Die persönlichen Atempausen tun Körper und Geist gut, auch im Alltag. Und manchmal kann ich dabei auch einen Hauch von Gottes Atem zu spüren.

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