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Stress steht bevor
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Stress steht bevor

Alexander Matschak
Ein Beitrag von Alexander Matschak, Medienkoordinator des Bistums Mainz

Ich bin mir ziemlich sicher: In einer Woche, etwa um diese Uhrzeit, wird es stressig sein bei uns. Dann sind es noch knapp zwei Stunden bis zum Beginn des Gottesdienstes. Eines ganz besonderen Gottesdienstes: Denn meine Tochter geht darin zum ersten Mal zur Kommunion.

Für viele Kinder ist dieser Gottesdienst bereits heute, am so genannten Weißen Sonntag. In unserer Gemeinde aber wird erst nächste Woche gefeiert. Und dann wird unsere ganze Verwandtschaft kommen: Großeltern, Paten, Tanten und Onkel, Kusinen und Cousins. Sie alle wollen dabei sein, wenn meine Tochter zum ersten Mal die heilige Kommunion empfängt. Es ist das erste richtig große Fest für sie. Sie allein wird im Mittelpunkt stehen.

Und wie das bei großen Festen eben so ist: Die letzten Stunden vor Beginn sind immer die stressigsten. „Mama, Du musst mir noch die Haare flechten.“ „Papa, wo ist mein neues goldenes Kreuz?“ „Mama, Papa – oh nein! Das ist ein Fleck auf meinem Kleid – könnt Ihr das schnell noch auswaschen?“ So oder so ähnlich wird es sicher sein.

Aber, noch bin ich ganz entspannt. Wie gesagt: Wir sind ja erst in einer Woche dran. Für viele Mädchen und Jungen ist dieses große Fest schon heute - am traditionellen Weißen Sonntag. Dieser Tag ist in vielen katholischen Gemeinden der Tag der Erstkommunion. Und das Ziel einer langen Vorbereitung. Denn viele Haupt- und Ehrenamtliche in den Pfarreien haben in den vergangenen Wochen und Monaten mit Mädchen und Jungen über den christlichen Glauben gesprochen. Ihnen von Jesus Christus und seinen Freundinnen und Freunden erzählt. Ihnen den Ablauf eines Gottesdienstes erklärt. Mit ihnen über das Letzte Abendmahl von Jesus gesprochen. Und diese Vorbereitungszeit ist vorbei. Ein festlicher Gottesdienst wird deshalb heute gefeiert. Viele Kirchen werden proppenvoll sein, fast so wie an Weihnachten. Und festlich ist auch diese Musik von Jean-Baptiste Loeillet.

Weißer Sonntag – Weißes Kleid

Manchmal würde ich wirklich gerne in eine frühere Zeit zurückreisen können. Zum Beispiel um zu sehen, wie es in früheren Jahrhunderten war mit der Erstkommunion und dem Weißen Sonntag. Denn dann würde ich einmal in den Tagen nach Ostern durch eine kleine Stadt in Italien laufen. Vielleicht so im Jahr 500 nach Christus. Vermutlich würde ich hier auf Frauen und Männer in weißen Kleidern treffen. Denn in den ersten Jahrhunderten wurden die Menschen in der Osternacht getauft. Und trugen dann in den acht Tagen nach Ostern weiße Kleider. Abgelegt wurden die weißen Kleider am Sonntag nach Ostern, daher der Name Weißer Sonntag. Ich stelle mir das spannend vor: Da haben Frauen und Männer stolz und selbstbewusst ihre weiße Kleidung getragen. Haben öffentlich gezeigt: Seht her, ich bin getauft. Ich bin jetzt Christ. Ein Kleid als Glaubensbekenntnis. Gerne hätte ich mit ihnen gesprochen. Hätte sie gefragt: Warum hast du dich taufen lassen? Was bedeutet es dir, Christ zu sein?

Das weiße Kleid, das gibt es heute immer noch. Auch wenn es nicht eine ganze Woche getragen wird. Viele Mädchen tragen es heute, am Weißen Sonntag, am Tag ihrer Erstkommunion. Aber: Leider hat das mit den weißen Kleidern manchmal etwas überhandgenommen. Da ist so manches Mädchen gekleidet wie eine kleine Braut. Und es gibt da und dort einen regelrechten Mode-Wettbewerb um das schönste Kommunionkleid.

Ich gebe zu: Diese Weiße-Kleider-Wettbewerbe stören mich. Mich stört es, wenn man sich auf Äußerlichkeiten fixiert. Das scheint nicht nur mir so zu gehen: In vielen Gemeinden gibt es bei der Erstkommunion einheitliche weiße Gewänder für alle Kinder. So genannte Alben. Auch in unserer Gemeinde – und darüber bin ich froh. Denn mich erinnern diese schlichten weißen Gewänder an zweierlei: an das Taufgewand der frühen Christen. Und an das weiße Taufkleid meiner Tochter.

Dieses Gewand macht mir bewusst: Sie wird erwachsener, sie geht auf dem Weg ihres Glaubens voran. Zu ihrer Taufe haben wir sie noch getragen. Zu ihrer Erstkommunion geht sie nun selbst. Und ich hoffe: Dass auch sie stolz und selbstbewusst dieses weiße Gewand trägt. Und es auch für sie ein Glaubensbekenntnis ist.

Über den eigenen Glauben sprechen

Auch wir Eltern haben uns auf den Weißen Sonntag und die Erstkommunion unserer Kinder vorbereitet – zum Beispiel mit einigen Elternabenden. Ich gebe zu: Sich nach einem langen Arbeitstag abends nochmals aufraffen, um in den Gemeindesaal zu gehen: Das hat auch mich immer etwas Überwindung gekostet. Und dann haben wir bei den Elternabenden doch sehr viel über Organisatorisches geredet: Wann und wo die Erstkommunionvorbereitung stattfindet. Welche Extra-Termine es noch gibt. Wer wie viele Plätze in der Kirche bekommt. Wer fotografieren darf und wer nicht. Ob es extra Blumenschmuck geben soll – ja oder nein?

Ich fand das ein wenig schade. Denn ich hätte gerne gewusst: Warum schicken die anderen Eltern ihr Kind zur Erstkommunion? Warum ist ihnen das wichtig? Wie ist ihr eigener Glaubensweg gewesen? Was bedeutet ihnen Kirche und Religion? Aber ich muss mich da auch an der eigenen Nase packen – ich hätte es ja anregen können. Und vielleicht hätten sich auch die anderen Eltern gerne einmal darüber ausgetauscht.

Ich frage mich: Warum fällt es oft so schwer, über den eigenen Glauben zu sprechen? Vielleicht liegt es daran: Glaube ist ja für Viele eine ziemlich private Sache. Eine Sache, die man am besten mit sich selbst und dem lieben Gott ausmacht. Und bestimmt haben einige die Erfahrung gemacht: Über den Glauben öffentlich zu sprechen, das ist gar nicht leicht. Und sind vielleicht sogar angefeindet worden deswegen.

Natürlich: Das mit Glauben ist keine einfache Sache. Das ist auch bei mir als Kirchenmensch nicht anderes. Da gibt es Zeiten, da ist mir Gott sehr fern. Und es gibt Zeiten: Da kann ich seine Nähe regelrecht spüren. In einem Buch habe ich dazu ein Gebet gefunden. Es drückt diese Spannung sehr gut aus. „Ich glaube an dich und zweifle“ heißt es. Es lautet: „Gott, ich glaube an dich, ich vertraue dir. Gott, ich zweifle an dir, ich stelle dich in Frage, aber du lebst. Du lebst in mir, Gott, du lebst in meinem Leben. Du gehst meinen Weg. Jetzt bist du bei mir – in dieser Sekunde. Kein Weg ist falsch. Gott, du führst mich. Du selbst bist das Ziel. Du hast mich gemacht, so wie ich bin, du willst mich, wie ich bin. Gott, mein Gott, ich will dir folgen auf dem Weg, den du mir zu gehen befiehlst. Verzeih mein Unverständnis. Danke für das Leben. Danke für den Schmerz. Danke für die Freude. Danke, dass ich lebe. Gott, vertrauter, unbekannter Gott.“ (aus: „Worte heute“ – Verlag der action, Seite 73)

Meine Erstkommunion – Die Wurzel meines Glaubens

Natürlich muss ich bei der Erstkommunion meiner Tochter auch wieder an meine eigene Erstkommunion denken. 1984 war die, in Wiesbaden, an Christi Himmelfahrt. Ich weiß noch: Es ist ein schöner warmer Frühlingstag gewesen. Meine Großeltern waren zu uns nach Wiesbaden gekommen – sie waren meine Paten. Und natürlich sind meine Eltern und meine Schwester mit dabei gewesen.

Und an eine Sache erinnere ich mich noch ganz besonders. Im Erstkommunionunterricht hatten wir unsere Silhouetten mit schwarzer Farbe auf große Papierbögen gezeichnet. So eine Art übergroßer Scherenschnitt. Für den Gottesdienst sind diese Bögen dann auf Umzugskartons geklebt worden. Und diese Kartons waren im Gottesdienst vor dem Altar aufgebaut: Eine riesige Wand mit Kinderköpfen. Diese Kartons sind dann umgedreht worden. Und auf der Rückseite der Kartons war das Bild unserer Pfarrgemeinde zu sehen.

Das hat sich mir tief eingeprägt. Ich sehe dieses Bild noch immer klar vor Augen. Denn mir ist damals klar geworden: „Ich bin ein Teil dieser Pfarrei. Ich bin ein Teil einer Glaubensgemeinschaft. Ich bin Teil der Kirche.“ Und diese Prägung hat mein Leben bestimmt.

Denn meine Pfarrei in Wiesbaden ist mir Heimat gewesen. Ich habe dort eigentlich meine ganze Kindheit und Jugend verbracht. Ich bin Messdiener gewesen, Pfadfinder, Jugendgruppenleiter. Ich bin bei Kinder- und Jugendfreizeiten dabei gewesen, habe selbst Kinderfreizeiten geleitet. Ich habe im Kirchenchor mitgesungen, habe Orgel spielen gelernt. Ich habe viele Gottesdienste mitgefeiert, bin hier gefirmt worden. Meine eigenen Kinder sind hier getauft. Ich kann heute sagen: Die Wurzel meines Glaubens – das ist meine Erstkommunion gewesen. Natürlich ist dieser Glaube im Laufe meines Lebens auch in Frage gestellt worden. Zerstört worden ist diese Wurzel aber nie.

Freundschaften fürs Leben

Wenn ich an meine Erstkommunion denke: Dann denke ich auch an die Freundschaften aus dieser Zeit. Mädchen und Jungen, die mit mir zur Erstkommunion gegangen sind. Freundschaften, die bis heute bestehen. Sie sind Jahrzehnte alt. Wir sind gemeinsam aufgewachsen. Wir haben zusammen gefeiert, wir haben miteinander gelacht, geweint und gestritten. Wir haben miteinander gebetet. Und mittlerweile sind wir alle selber Eltern. Ein gemeinsames Wochenende ist fester Bestandteil unserer Terminkalender einmal im Jahr.

Ich kann mir vorstellen: Das hört sich vielleicht ein bisschen zu ideal an, ein bisschen zu glatt. Und ganz ohne Brüche und Kanten ist das natürlich auch nicht. Denn viele meiner Freunde von damals haben mit Kirche und Glauben mittlerweile nicht mehr viel am Hut. Sie können vor allem mit der Institution Kirche, mit ihren Glaubens- und Moralvorstellungen nicht viel anfangen. Und trotzdem ist es so: Wenn bei unseren gemeinsamen Wochenenden die Kinder abends endlich im Bett sind und wir beim Rotwein zusammensitzen – dann sind unsere spannendsten Diskussionen die über Kirche und Glauben.

Und auch die Bibel weiß, wie wichtig Freundschaft ist. Im Buch Jesus Sirach im Alten Testament heißt es: „Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt. Wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden. Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis, nichts wiegt seinen Wert auf. Das Leben ist geborgen bei einem treuen Freund, ihn findet, wer Gott fürchtet.“ (Sir 6, 14-16) Ich bin Gott dafür sehr dankbar. Dankbar für meinen Glauben. Dankbar für meine Freundschaften.

Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind

Zum Fest der Erstkommunion meiner Tochter – da frage ich mich schon: Was wird wohl aus ihrem Glauben? Mein Eindruck ist: Es wird nicht einfacher, seinen Glauben zu leben, seinen Glauben zu bekennen. Als ich so alt war wie sie, war Kirche tatsächlich noch vielmehr Volkskirche als sie es heute ist. Kirche hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Viele Menschen sind aus der Kirche ausgetreten. Kaum eine Pfarrei hat heute noch einen eigenen Pfarrer. Die früheren Pfarreien sind heute als so genannte Kirchorte Teil von Großpfarreien. Ich höre viele sagen: „Ich habe in der Kirche gar keine Heimat mehr.“ Wenn ich sonntags mit meiner Familie in die Kirche zum Gottesdienst gehe und mich umblicke: Da sehe ich viele weiße und graue Haare. Da sind meine Frau und ich oft die Jüngsten. Und da drängt sich mir schon auch der Gedanke auf: Wird so eine Kirche attraktiv für meine Kinder sein? Gibt es überhaupt eine Chance, dass Gott und Glauben in ihrem Leben einen Platz haben werden?

Das weiß ich natürlich nicht. Aber ich will mich auch nicht entmutigen lassen. Meine Tochter und mein Sohn werden vielleicht nicht die gleichen Erfahrungen mit Kirche und Glauben machen wie ich. Wie sollten sie auch – schließlich sind sie ganz eigene Persönlichkeiten! Aber ich hoffe: Sie werden ihre Erfahrungen machen. Denn ich glaube fest daran: Gott hat mit uns eine Zukunft vor. Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, wäre mein Christsein nicht viel wert.

Jesus hat uns die Zusage gegeben: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Und das feiern Christen in jedem Gottesdienst. Das feiern tausende Kinder heute bei ihrer Erstkommunion am Weißen Sonntag: In den Gestalten von Brot und Wein ist Gott bei uns. Auch in unserer Welt. Auch in unserer Zeit. Was für eine Zusage! Und diese Zusage Gottes gibt mir Zuversicht. Zuversicht für meinen Glauben. Zuversicht für die Zukunft meiner Kinder. Und Zuversicht, so hat es der verstorbene Kardinal Lehmann immer gesagt: Zuversicht ist begründete Hoffnung. Und die habe ich.

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