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Prügelstrafe
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Prügelstrafe

Dr. Klaus Dorn
Ein Beitrag von Dr. Klaus Dorn, em. Dozent am Kath.-Theol. Seminar, Marburg
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„Lehrer prügelte in der Schule“, lautete vor kurzem die Überschrift über einen Zeitungsartikel. Was da stand, amüsierte mich. Zu meiner Schulzeit hatte der Krieg nur wenige Lehrer übriggelassen. Da standen sie nun vor uns, die alten Kameraden vor einer Klasse mit 50 Kindern. Der Raum war so groß, wie man ihn heute für eine Klasse mit 20 Kindern verwendet. Der eine Lehrer warf mit nassen Schwämmen oder trockenen Brötchen, wenn die Schüler nicht zuhörten oder schwätzten. Ein anderer kaufte etwa alle vier bis fünf Monate einen neuen Bambusstab, weil der alte vom Prügeln zerschlissen war.  Dieser Lehrer war ein Kriegsversehrter mit einer Silberplatte im Kopf. Bei jedem Wetterwechsel wechselte auch seine Laune. Wer eine schlechte Handschrift hatte, erhielt Prügel, denn wie die Handschrift, so der Charakter. Es gab dann etliches mit dem Bambusstab, auf die Hand, so schnell, dass keiner mitzählen konnte. Wieder ein anderer haute kreuz und quer zu. Ein Cousin von mir hat einen bleibenden Hörschaden davongetragen. Beschwert hat sich kaum jemand, waren Prügel an Kindern doch an der Tagesordnung, auch zu Hause. „Und so zieht von hinterwärts Gehorsam ein ins Kinderherz“, lautet ein Reim von Wilhelm Busch. Auch der Spruch stammt von ihm: "Druff hat aber diese Regel, Prügel machen frisch und kregel.“ Und so mancher wird sich an den Bibelvers erinnern: „Wer seinen Sohn liebt, den züchtigt er.“ Wenn ich davon erzähle, kann es sein, dass einer sagt: „Und – hat‘s geschadet?“ Oder: „Die Kinder wissen gar nicht, wie gut sie es heute haben.“ Ich jedenfalls finde es gut, dass das alles vorbei ist mitsamt den autoritären Vorstellungen dahinter.

Heutzutage leidet die Gesellschaft freilich unter dem gegenteiligen Extrem. Kinder sollten gar nicht erzogen werden, las ich vor kurzem das Statement einer Mutter. Aber das ist mit Sicherheit auch keine Lösung. Kinder brauchen Menschen, die ihnen eine Richtung aufzeigen. Unlängst sagte ein Sechsjähriger völlig unvermittelt zu mir: „Soll ich Dir die Zähne einschlagen?“ Kann es sein, dass seine Mutter bereits die komplette Nichterziehung angewandt hatte? Man kann über die unerzogenen Kinder klagen, denen man übrigens zunehmend begegnet. Es nützt nur nichts. Sollte man nicht als Erwachsener versuchen, ihnen dann eindeutige Grenzen zu zeigen, wenn sie  voller Respektlosigkeit darauf warten, wie man auf Unverschämtheiten reagiert? Verdanken wir nicht die aggressiven Übergriffe auf Bahnhöfen – und leider nicht nur dort - schon jetzt dem Gegenteil von Erziehung?  Wenn ich an meine Erziehung denke, waren da zunächst einmal meine Eltern, die daran arbeiteten, wie ich mich zu verhalten hatte. Aber auch die Großeltern, die Verwandten und nicht zuletzt die älteren Geschwister mischten sich ein. Bei all dem macht immer der Ton die Musik, auch beim Einmischen. Welcher Ton am ehesten ankommt, wissen wir ja immerhin. Schon seit zweitausend Jahren.

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