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Protest und Gerechtigkeit
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Protest und Gerechtigkeit

Diplom-Theologin Doris Meyer-Ahlen
Ein Beitrag von Diplom-Theologin Doris Meyer-Ahlen, Referentin für Familien- und Beziehungspastoral, Fulda

Die Proteste der Bewegung der „gelben Westen“ in Frankreich wehren sich gegen eine Politik, die die Interessen und Sorgen der einfachen Bürgerinnen und Bürger zu wenig im Blick habe. Wie weit darf Protest gehen und welche Fragen nach einer gerechteren Gestaltung der Gesellschaft sollten diskutiert werden?

Brennende Autos, eingeschlagene Fensterscheiben, demolierte Monumente...
Die Bilder von Paris am vergangenen Wochenende sind wohl vielen Menschen noch im Kopf, nicht nur Französinnen und Franzosen. Und für diese Tage sind erneut Proteste angekündigt.
In Frankreich gehen Menschen auf die Straße, weil ursprünglich zum Jahreswechsel Steuererhöhungen für Kraftstoffe geplant waren. Dies sei zu viel und den Menschen bliebe zu we-nig übrig von ihrem Geld. Die Demonstrierenden fühlen sich von der französischen Regierung nicht angemessen vertreten. Sie haben den Eindruck, dass die große Politik die Sorgen der einfachen Menschen nicht mehr ernst nimmt.
Diese Proteste müssen den Politikerinnen und Politikern zu denken geben, nicht nur in Frankreich. Haben Regierungen und politische Vertreter die Lebenswelten aller Menschen im Land ausreichend im Blick? Wie viel tun sie für die Verbesserung der Lebenssituation gerade derer, die nur über geringe Einkommen verfügen. Es stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit, die viel weiter reichen muss als der Protest gegen eine Ökosteuer und die Sorge um eine an-gemessene Teilhabe am Konsum. Sie muss auch weiter reichen als ein Protest, der sich nicht deutlich genug von Gewalt und Zerstörung distanziert. Gewalt ist generell keine Lösung. Umso fragwürdiger, dass diese aber dazu beitrug, dass die Steuererhöhungen ausgesetzt wird. Die ersten Zugeständnisse sind da, sie verschonen zunächst die Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger.
Doch man wird dort, wie auch bei uns, mittelfristig nicht umhin kommen, sich Gerechtig-keitsdiskursen zu stellen: Es geht um die sich stets weiter öffnende Schere zwischen armen und reichen Menschen in der Gesellschaft; es geht nicht nur um eine theoretische, sondern eine tatsächliche gleichberechtigte Teilhabe aller am Bildungssystem. Es geht um die konse-quente und nachhaltige Unterstützung schwächerer Menschen in der Gesellschaft, um Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen. Es geht auch um Umweltschutz.
Es wird zunehmend notwendiger, eine ausreichende Kommunikation über gesellschaftlich relevante Fragen sicher zu stellen, das Handeln von Regierungen zu kontrollieren und zu kritisieren. So wie soziale Medien die Formierung einer solchen gesellschaftlichen Protestbe-wegung unterstützen, können sie auch angemessene Dialogprozesse befördern. Und es ist sicher wichtig, über direktere Formen demokratischer Beteiligung nachzudenken.
Vielleicht sind uns die gelben Warnwesten, die die Demonstrierenden in Frankreich tragen eine solche Warnung: Zukunft geht nicht ohne Demokratie, ohne die gute Beteiligung aller – ausnahmslos.

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