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Glück oder Unglück
Bild: meineresterampe/Pixabay

Glück oder Unglück

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Evangelische Pfarrerin, Kassel
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In diesem Jahr sind durch die Corona Pandemie die Pläne und Hoffnungen vieler Menschen durchkreuzt worden. Dabei geht es nicht nur um Urlaub. Eine junge Frau etwa hat sich über die Zusage für einen Arbeitsplatz gefreut. Nun wurde ihr wieder abgesagt.

Und wie soll die Tochter wieder ihren Beruf aufnehmen, wenn die Großeltern das Enkelkind nicht mehr betreuen können?

Bis in den Alltag der Einzelnen hinein wird unsere Gesellschaft jetzt durchgerüttelt. Vieles muss neu gedacht werden. Und was dabei herauskommt, ist noch unklar.

Es fällt nicht leicht, sich neu zu sortieren. Viele sehen zuerst einmal nur all die Schwierigkeiten, die sich vor ihnen auftürmen. Dabei steht ja noch dahin, ob das, was ich heute als mein Unglück ansehe, nicht eines Tages auch mein Glück sein kann - und umgekehrt.

Eine kleine Geschichte macht das deutlich. Sie erzählt von einem Mann und seinem Sohn. Ihr einziger wertvoller Besitz war ein Pferd. Das lief eines Tages weg. Was für ein Unglück! sagten die Nachbarn. Aber nach ein paar Tagen kam das Pferd zurück und brachte einige Wildpferde mit auf die Koppel. Was für ein Glück! riefen da die Nachbarn. Als dann der Sohn eines der Wildpferde zureiten wollte, fiel er vom Pferd und brach sich ein Bein. Die Nachbarn liefen zusammen und riefen: Was für ein Unglück! Am nächsten Tag kamen Soldaten in das Dorf und zwangen alle jungen Männer in die Armee einzutreten, denn im Norden des Landes gab es Krieg. Den Sohn mit seinem gebrochenen Bein konnten sie nicht gebrauchen. So wurde dieses Unglück am Ende sein Glück. Er überlebte.

Ein glücklicher Zufall werden manche sagen. Andere erleben so eine Geschichte als Bewahrung. Sie erkennen im Nachhinein: hier hat Gott mich geführt. Nicht mit jedem Unglück ist die Zukunft gleich verbaut. Sie bleibt offen. Überraschendes kann sich auftun.

Natürlich geht das nicht wie von selbst. Wenn mich ein Unglück trifft, bin ich erstmal deprimiert und denke, nun sind alle Pläne zunichte.

Es fällt nicht leicht, sich neu zu orientieren und offen zu sein, für das, was die Zukunft bringt. Das braucht viel Gottvertrauen. Vertrauen, dass Gott mich nicht ins Leere, nicht ins Unglück laufen lässt. Mit Gottvertrauen kann ich besser hinsehen. 

Übrigens: Die junge Frau hat sich inzwischen für ein Studium entschieden. Die ersten Zusagen machen sie richtig froh. Und die Betreuung des Kindes übernimmt jetzt eine Nachbarin statt der Großeltern.

Die Zukunft ist offen. Das ist immer so. Das birgt die Chance, mich in unterschiedlichen Lebenslagen neu zu finden und neu auf mein Leben und meine Pläne zu sehen. Es ist ja gar nicht ausgemacht, ob ich nicht doch bewältigen kann, was mir jetzt so schwierig erscheint. Manches werde ich aufgeben müssen. Aber an manchem werde ich auch wachsen. Nicht jedes Unglück gleich als das Ende betrachten, sondern sich ausstrecken nach dem, was vor uns liegt.

Gott wartet auf uns. Er streckt uns die Hand entgegen, damit wir mutig gehen. Was für ein Glück.

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