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Freudenbote sein

Freudenbote sein

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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Ich gebe es zu: Es gibt heutzutage genug Gründe, mit schlechter Stimmung in den Tag zu starten. Fast täglich gibt‘s neue Hiobsbotschaften: sterbende Flüchtlinge, Regenwälder, die brennen, der Brexit… Dazu kommen vielleicht noch persönliche Krisen und die ganz alltäglichen Sorgen. Es gibt so Tage, da will man am Liebsten gar nicht raus, dann können mir die Welt und ihre Hiobsbotschaften einfach mal gestohlen bleiben. Das Problem dabei ist: das Leben findet nun mal da draußen statt, in dieser Welt mit ihren schlechten Nachrichten, ihren Sorgen und Nöten. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb in alten Kirchenliedern manchmal vom "Jammertal" die Rede ist: da draußen in der Welt ist das Allermeiste schlecht und schwer. Oder?

Vor zwei Wochen hab ich eine Predigt gehört, die ging in eine ganz andere Richtung - und hat mich deshalb total gepackt und überzeugt. Der katholische Bischof des Bistums Limburg, Georg Bätzing, hat sie bei einem großen, feierlichen Gottesdienst im Rheingau gehalten. Es ging grob gesagt darum: Hiobsboten gibt es schon genug. Ständig sagt uns jemand, wie schlecht die Welt ist und was alles den Bach runter geht. Oder es gibt diese Hassredner im Internet oder auf den politischen Bühnen, die Angst machen und andere verunglimpfen und diskriminieren.

Die Aufgabe der Christen in der Welt sei aber, so der Bischof: Nicht Hiobsbote, sondern „Freudenbote sein“! Es geht darum, das Gute in den Menschen und in der Welt zu sehen und sich davon anspornen und regelrecht begeistern zu lassen. Ich fand den Gedanken so wichtig, ich hab ihn sogar in meine To-Do-Liste eingetragen. Dafür hab ich eine App auf meinem Handy, denn da kann ich mir bestimmte To-Dos auch täglich anzeigen lassen. „Freudenbotin sein“ erscheint da jetzt jeden Tag, sozusagen als Erinnerung.

Ich gebe zu, das klingt erstmal etwas komisch, vor allem auf einer To-do-Liste: „Freudenbotin sein.“ Für mich ergibt diese Aufgabe aber richtig viel Sinn. Natürlich ist das manchmal schwer oder fühlt sich sogar unmöglich an, etwa wenn mich das Schicksal gerade gebeutelt hat oder wenn ich in einer Krise stecke, wenn ich einen Menschen verloren habe oder einfach nicht weiß, wohin mit mir.

Einer der Anhänger Jesu, der Apostel Paulus, kannte das auch: Er hatte Schiffbruch erlitten, war im Gefängnis gewesen, hatte Krankheiten überlebt.  Bestimmt war ihm auch nicht immer zum Jubeln gewesen. Und trotzdem - oder gerade deshalb - schrieb er damals an die frühchristliche Gemeinde in Rom: „Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten, weder Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes.“ (Römer 8,38f.). Wenn ich das glauben kann, bin ich echt auf der sicheren Seite: Wenn ich immer verbunden bin mit dem Gott, der die Welt, mich, das Universum aus Liebe geschaffen hat – was soll mir dann schon passieren? Nichts kann uns auseinander bringen: Selbst dann, wenn ich zweifle, mich sorge, mich von Gott abwende, selbst dann, wenn ich sterbe: ich bleibe in dieser Verbindung, daran gibt es nichts zu rütteln! Zwischen Gott und mich passt kein Blatt Papier!

Ich finde: das ist ein unglaublich froh machender Gedanke: Ich brauche mich nicht zu verbiegen und ich brauche keine Angst zu haben. Ich darf einfach leben im Vertrauen darauf: Gott lässt mich nie im Stich. Ich muss sagen: Das tröstet mich und ermutigt mich gleichzeitig. Wenn ich mich so fühle, so geborgen und ganz frei – dann kann ich auch „Freudenbotin sein“. Für mich bedeutet das allerdings nicht, dass ich durch die Gegend renne und ständig rufe: Freut Euch! Aber ich versuche so zu leben, dass andere spüren können: da gibt es eine frohe Botschaft. So fordert ja auch Papst Franziskus ganz deutlich alle Christen auf, sich die "Freude des Evangeliums" anmerken zu lassen, er hat sogar ein wichtiges Schreiben danach benannt: "Evangelii Gaudium."

Freudenbotin! Das werd ich sicher nicht von heute auf morgen - und ich muss und kann es auch nicht jeden Tag sein. Aber ich glaube: „Freudenbote sein“ ist eine positive Haltung, die ich täglich einüben kann. Verhaltenspsychologen sagen, wenn man etwas mindestens 21 Tage lang jeden Tag macht, wird es zur Gewohnheit. Je öfter ich etwas tue, desto eher gewöhnt sich mein Gehirn daran und empfindet es als „normal“. Deshalb überlege ich jetzt jeden Abend, wenn ich meine To-do-App öffne und die Häkchen hinter die Aufgaben des Tages setzen will: „Wo war ich heute eine Freudenbotin?“

Was mir dann einfällt, sind oft nur Kleinigkeiten - und ich hab dabei auch nicht immer gleich an den lieben Gott gedacht. Es sind so Sachen wie: Ich hab dem Mann an der Supermarktkasse vor mir meine Einkaufstüte geschenkt, weil er kein Kleingeld mehr hatte. Oder: Ich hab mit meinem kleinen Sohn die gefühlt tausendste Partie Maumau gespielt, einfach weil ihn das glücklich macht. Trotzdem geht „Freudenbote sein“ über das alte Pfadfindermotto „Jeden Tag eine gute Tat“ hinaus, finde ich.

„Freudenbote sein“ heißt für mich: zuallererst die Freude am eigenen Leben wahrnehmen, sich von ihr erfüllen lassen, und sie dann hinaus in die Welt tragen, durch froh machende Worte und Taten. „Freudenbote sein“ ist für mich deshalb keine Pflichterfüllung, sondern eine Lebenshaltung – und zwar eine, die ich richtig gerne einübe.

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