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Der Riss nach dem Beben
Bildquelle Pixabay

Der Riss nach dem Beben

Johannes Meier
Ein Beitrag von Johannes Meier, Evangelischer Pfarrer und Journalist, Kassel
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Die Wahl des Thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich mit Hilfe der Landtagsfraktion der AfD hat für ein politisches Beben gesorgt. Heute trifft sich die Große Koalition, um über die Folgen dieses Dramas zu sprechen. In unserem Nachbarland Thüringen sitzt der Schock besonders tief, vor allem bei denen, die sich täglich für ein besseres Miteinander einsetzen. Frauen und Männer aus der Kirche gehören dazu, sagt Pfarrer Johannes Meier aus Kassel in seinem hr1 Zuspruch.

„Ich bin jetzt auf dem Weg zum Landtag! – Ihr auch!?“  Das postet eine Pfarrerin aus Erfurt am Mittwoch auf Facebook. Ein Pfarrer aus Schmalkalden twittert: „Sitze schon im Auto. Wir sehen uns gleich alle auf der Demo!“ Das war, finde ich, das einzig Gute: diese spontanen Demonstrationen und der große Aufschrei in der Bevölkerung.

Christinnen und Christen haben mitdemonstriert

Denn es ist nicht normal, was da Mitte der Woche bei der Ministerpräsidentenwahl im Thüringer Landtag passiert ist. Darüber sind sich – Gott sei Dank – alle demokratisch gesinnten Parteien und weite Teile der Bevölkerung einig.

Christinnen und Christen gehören dazu. Also haben sie mitdemonstriert vor dem Thüringer Landtag in Erfurt, vor der FDP- oder AfD-Zentrale in Berlin. Ganz normale Gemeindeglieder, Leute aus dem Kirchenvorstand, Menschen, die in der Kirche arbeiten.

Auch die evangelischen Bischöfinnen und Bischöfe haben sich zu Wort gemeldet

Auch die evangelischen Bischöfinnen und Bischöfe haben sich zu Wort gemeldet. Sie schreiben: „Aus christlicher Sicht darf es keine Regierung unter Mitwirkung von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten geben.“

Die Bischöfinnen und Bischöfe warnen: Das macht „antidemokratische, fremdenfeindliche und antisemitische Positionen salonfähig“.

Und sie bekräftigen: „Für Christinnen und Christen hat jeder Mensch seine Würde.“ Und diese Würde zu wahren und zu verteidigen, ist Aufgabe der Politik. So steht es im Grundgesetz in Artikel 1.

Wie wieder ein gutes Miteinander finden ?

Inzwischen ist klar, dass die Ränkespiele im Thüringer Landtag wohl nicht durchkommen werden. Doch es bleibt der Riss, den dieses politische Beben auch in der Gesellschaft hinterlassen hat. Eine Pfarrerin aus Thüringen fragt: „Wie können wir wieder ein gutes Miteinander finden, Vertrauen in die Politiker und unsere Nachbarn?“

Vielleicht, indem wir wie viele in den vergangenen Tagen nicht länger auf dem Sofa sitzen bleiben, sondern aufstehen und uns auf den Weg machen, wenn die Demokratie uns braucht. Zur Demo, zu unseren Mitmenschen, zu den Wahlurnen – und immer wieder auch zu dem, der uns in bebenden Zeiten wie diesen Halt und Orientierung schenkt, zu Gott.

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