Ihr Suchbegriff
Adventszeit und Johannes der Täufer
Bildquelle: Pixabay

Adventszeit und Johannes der Täufer

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Wenn meine Großmutter zu Besuch kam, war die Freude groß. Als Kinder haben meine Schwester und ich uns schon eine Stunde vorher Stühle auf den Bürgersteig gestellt und uns in Decken gewickelt, um auf sie zu warten. Wir waren voll gespannter Erwartung. Meine Großmutter brachte uns immer geradezu Badewannen voller Geschenke mit, und hat mit uns Tischtennis oder Karten gespielt. Das Warten war anstrengend und schön zugleich.

Die Adventszeit ist eine Zeit des Wartens. Früher als Kind habe ich ungeduldig gewartet: erst auf den ersten Dezember, an dem ich die erste Tür des Adventskalenders aufmachen durfte. Am meisten aber auf den Heiligabend. Ich habe mir wochenlang ausgemalt, wie sich die Tür zum Weihnachtszimmer öffnet und ich den Baum und die Geschenke sehe. Das Wort Advent kommt aus dem Lateinischen. Adventus heißt Ankunft. Advent hat mit dem Warten auf eine Ankunft zu tun.

Bist du es, der da kommen soll? Oder sollen wir auf einen anderen warten? (Mt 11, 2) Der Mann, der das fragte, lag im Gefängnis, tief unten in einer Festung. Er hieß Johannes. Vor etwa 2000 Jahren in Israel. Johannes saß im Gefängnis, weil er für den König damals ein Störenfried war und der ihn kalt stellte. Johannes stellt die eigentlich adventliche Frage: Auf wen oder was warten wir? Wer kann die Welt, wer kann die Menschen gerechter machen, befreien, erneuern?

Bevor der König ihn verhaften ließ, hat Johannes am Fluss Jordan gepredigt. In Scharen liefen die Menschen aus der Großstadt Jerusalem zu ihm. Manche ernsthaft auf der Suche. Andere nur mit Lust auf das Außergewöhnliche, auf den Mann, der aussah wie Gottesmänner und Propheten der alten Zeit, wilder Bart, Kleidung aus Kamelhaar, ernst und asketisch. Propheten, das waren keine Wahrsager. Sie lasen den Leuten die Leviten, redeten ihnen ins Gewissen und erinnerten ihre Zeitgenossen hartnäckig daran, dass Gott Gerechtigkeit will.

So auch Johannes. Sein Mut und seine Klarheit haben die Menschen beeindruckt. Viele, die ihn hörten, wollten anders leben und neu anfangen. Deshalb taufte sie Johannes, tauchte sie im Jordan unter und zog sie wieder aus dem Wasser. Als Zeichen: Gott schenkt einen neuen Anfang. Das klingt ziemlich anders, als das, was wir heute im Advent erleben: Lichterketten, Gerüche von Lebkuchen und Glühwein, Weihnachtsmärkte.

Vielleicht sind die adventlichen Gerüche und die Lichterketten aber auch nur Hinweise auf eine Sehnsucht, die tiefer liegt. Auch Erwachsene warten in der Adventszeit auf irgendetwas. Aber auf was genau? Die Enttäuschungen von gestern, die Sorgen von heute, die Hoffnungen von morgen sind in mir. Und diese Sehnsucht. Die Sehnsucht nach einer besseren Welt, nach Frieden, nach Sinn in meinem Leben, nach Geborgenheit. Das Warten und die Sehnsucht haben nie aufgehört. Sie lassen sich nicht in ein Gefängnis sperren. Und das ist gut so. Ich glaube: Gott hält diese Sehnsucht in mir lebendig. Und gibt mir gleichzeitig die Hoffnung: Was jetzt noch nicht gut ist, kann noch gut werden.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren