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Kirchen
Bild: Pixabay

Kirchen

Michael Tönges-Braungart
Ein Beitrag von Michael Tönges-Braungart, Pfarrer

„Sag mal, wo wohnt eigentlich der liebe Gott?“, wird im Kindergarten gefragt? „Ist doch klar“, sagt ein Junge, „in der Kirche.“ „Nee“, sagt darauf ein Mädchen, die Tochter des Arztes, „da wohnt der doch nicht. Aber da hält er Sprechstunde!“

Damit hat’s die Kleine auf den Punkt gebracht, wozu Kirchen da sind. Natürlich kommt niemand auf die Idee, dass Gott in der Kirche wohnt – und woanders dann eben nicht wohnt. Gott lässt sich nicht einsperren – auch nicht in Kirchen.

Aber der Gedanke, dass Gott in Kirchen Sprechstunde hält – natürlich zeitlich unbegrenzt – den finde ich toll. Das heißt doch: Eine Kirche ist ein Ort, an dem Menschen Gott begegnen können. Ein Ort, an dem sie in Kontakt mit Gott treten können. Ein Ort, an dem sie sich an Gott wenden können. Da ist er erreichbar. Nicht nur da, aber da auf jeden Fall! Ganz gleich, ob es eine große Kathedrale ist oder eine kleine Dorfkirche; ein altehrwürdiger oder ein moderner Bau, eine Kapelle im Fußballstadion oder im Krankenhaus.

Kirchen sind etwas Besonderes und unterscheiden sich von anderen Gebäuden und Räumen. Weil sie auf eine andere Wirklichkeit hinweisen als die, die uns täglich vor Augen ist: auf die Wirklichkeit Gottes.

Kirchen bieten die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen; einmal den Lärm und die Hektik, die das Leben jeden Tag bestimmen, draußen zu lassen; still zu werden; zu hören; nachzudenken; zu sich selber zu finden – und zu Gott.

Kirchen sind erfüllt von den Gebeten und Liedern, dem Glauben und den Hoffnungen von Menschen, die in dieser Kirche Gottesdienste gefeiert oder auch nur stille Andacht gehalten haben.

Kirchen sollen schön sein, damit Menschen sich in ihnen wohl fühlen. Es soll nicht alles nur zweckmäßig und nüchtern sein – weil unser Leben nicht nur der Zweckrationalität dienen soll; und weil Gottes Wirklichkeit sich nicht zweckrational erfassen lässt. Kirchen sollen auch schön sein, weil sie von der Schönheit Gottes künden, der in ihnen Sprechstunde hält. Und so wie die Einrichtung einer Wohnung – ja selbst des Sprechzimmers beim Arzt – etwas über die Person sagt, die da drin wohnt bzw. arbeitet, so sollen auch unsere Kirchen etwas über Gott und sein Wesen aussagen. Sie sollen alle unsere Sinne ansprechen – es soll etwas zum Hören und zum Sehen geben in den Kirchen; etwas zum Anfassen und Fühlen und Erspüren. Auf diese Weise sollen unsere Kirchen von der Liebe Gottes erzählen, auch ohne Worte.

Und schließlich: Kirchen haben Fenster und Türen; Türen, die sich weit öffnen lassen. Und ganz persönlich finde ich: Sie sollen hell sein und die Welt draußen zwar abtrennen, aber nicht aussperren. Es soll deutlich werden: Was Menschen hier drin in der Kirche tun und hören, das hat mit dem Leben draußen zu tun; das will aus den Kirchenräumen heraus in die Welt.

Ich bin dankbar, dass es so viele schöne Kirchen gibt in Dörfern und Städten; so viele Kapellen in Kliniken, auf Flughäfen und in Fußballstadien. Ich freue mich, wenn auch immer mehr evangelische Gemeinden den Mut finden, ihre Kirchen nicht nur zum Gottesdienst zu öffnen. Denn schließlich gibt es bei Gott ja auch keine eingeschränkten Sprechzeiten.

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