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Januar-Licht
Pixabay/S.Hermann & F.Richter

Januar-Licht

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Es gibt diese besondere Morgenstimmung im Januar. Da ist der Himmel glasklar. Die Nacht weicht mit noch leuchtenden Sternen einem Sonnenaufgang, der die Welt in ein Rosa-Orange taucht. Wunderschön. Manchmal treibt es mich dann früh am Morgen raus, und ich stehe staunend und schaue am Feldrand in den großen Himmel.

Ein Lied zur Epiphaniaszeit

„Du Morgenstern, du Licht vom Licht, das durch die Finsternisse bricht, du gingst vor aller Zeiten Lauf in unerschaffner Klarheit auf.“ So dichtete Gottfried Herder ein Lied zur Epiphaniaszeit. In der sind wir gerade im Januar. Herder fand mit seinem Lied vom Morgenstern einen Weg, das Kommen Jesu in Bildern zu beschreiben  - ohne ein einziges Mal das Wort „Jesus“ zu verwenden.

Morgenstern. Licht vom Licht

Jungfrauengeburt, Gottes Kind, Anbetung der Könige, ein Stern über dem Stall? Nichts davon. Herder sagt es anders: Morgenstern. Licht vom Licht. Vor aller Zeit da, unerschaffen. Eine unfassbare Geschichte packt er in mein Staunen über den Sonnenaufgang im Januar. Und ja, Staunen ist der Beginn aller Erkenntnis, auch der Erkenntnis des Glaubens.

Staunen über den Sonnenaufgang an einem Januarmorgen

Mein Innehalten und das Staunen über pure Schönheit an einem Januarmorgen gibt mir auch das Gefühl: Ich stehe in einem großen Ganzen, das mehr ist als ich selbst. Eine kostbare Erkenntnis. Die mir Ruhe gibt im Leben. Herder dichtete: „Du Lebensquell, wir danken dir, auf dich, Lebendger, hoffen wir, denn du durchdrangst des Todes Nacht, hast Sieg und Leben uns gebracht.“

Gottfried Herder und die großen Fragen der Aufklärung

Gottfried Herder studierte bei Immanuel Kant. Er kannte Goethe und Schiller, war lange Zeit Pfarrer in Weimar, dem Ort des freien Geistes im 18. Jahrhundert. Dort wurden die großen Fragen der Aufklärung gestellt: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Herder fand seine Antworten in der Natur, im Philosophieren und in den Geschichten über Jesus von Nazareth, der Menschen heilte und froh machte. Seine unbändige Liebe zu Gott und den Menschen brachte Jesus ans Kreuz. Er blieb seiner Wahrheit treu und damit uns im Gedächtnis. So dichtet Herder: „Du ewge Wahrheit, Gottes Bild, der du den Vater uns enthüllt, du kamst herab ins Erdental mit deiner Gotterkenntnis Strahl.“

Gottfried Herder wußte um Licht und Dunkelheit im Leben

Gottfried Herder, der Philosoph und Theologe, der Aufklärer und Freigeist hat in seinem Glaubensleben Wandlungen gehabt. Aus dem frommen Elternhaus ging er weg und kam nie wieder. Aus einem engen Glauben löste er sich und fand am Ende Heimat in den Gedanken der Freimaurer. Blieb gleichwohl Pfarrer an einer evangelischen Kirche in Weimar. Realistisch war er, wusste um Licht und Dunkelheit im Leben. Sein Lied endet mit einer Bitte: „Bleib bei uns Herr, verlass uns nicht, führ uns durch Finsternis zum Licht, bleib auch am Abend dieser Welt als Hilf und Hort uns zugestellt.“

An meinem Januar-Morgen hoffe ich auf Gottes Hilf und Hort auch bis zum Abend. Bis zu meinem Abend und dem dieser Welt.

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