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Der schwarze König an der Weihnachtskrippe
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Der schwarze König an der Weihnachtskrippe

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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Vor drei Wochen stand bei uns schon ein Christstollen auf dem Esstisch, und die Weihnachtsvorbereitungen sind an vielen Orten längst im Gang, trotz oder vielleicht gerade wegen Corona. Eine große Weihnachtsaktion soll auch unter den besonderen Bedingungen stattfinden: Wie alle Jahre wieder sollen die Sternsinger von Haus zu Haus ziehen.

Eine Frage wird in den Pfarrgemeinden bei der Sternsinger-Aktion immer wieder gestellt: Soll man Kinder dafür schwarz schminken? Das Hilfswerk der Sternsinger rät schon länger davon ab. In diesem Jahr, in dem auch in Deutschland viel über Rassismus diskutiert wurde, stellt sich diese Frage erst recht.

Schwarzschminken, um sich über andere lustig zu machen?

Schwarzschminken hat eine belastete rassistische Geschichte, das so genannte „Black facing“. Dabei färbten sich Weiße das Gesicht schwarz, um Schwarze zu imitieren. Bei Othello oder anderen Rollen von dunkelhäutigen Menschen ist das black facing im Theater schon alt. Es gab aber Theaterdarbietungen, in denen es bis in jüngere Zeit rassistische Züge hatte: die Minstrel-Shows. Schon ihr Name ist schlimm und zwingt dunkelhäutigen Menschen eine untergeordnete Rolle auf, denn Minstrel bedeutet: „kleiner Diener“. In den Minstrel-Shows färbten sich Weiße das Gesicht schwarz, imitierten ihre Musik und schlimmer: Sie ahmten dumme und unwissende Schwarze nach. Dafür wurden sie mit schenkelklopfendem Gelächter und Beifall bedacht. In einigen europäischen Salons haben sich Minstrel-Shows bis in die 1980er Jahre gehalten.

Wer will bestimmen, was diskrimierend ist und was nicht?

Sicher hat wohl kaum ein Sternsinger-Kind, das sich als König das Gesicht schwarz färbt, dabei eine rassistische Absicht. Auch an vielen Weihnachtskrippen steht der schwarze Melchior als einer der drei Könige, und manche seiner Figuren zeigen ihn sehr würdevoll. Das Problem besteht aber darin, wenn mehrheitlich Weiße darüber bestimmen wollen, was für Schwarze diskriminierend sein soll und was nicht. Darauf hat mich eine Studentin aufmerksam gemacht. Sie schrieb mir: „Während weiße Kinder die schwarze Farbe abwaschen können, können schwarze Kinder eben nicht einfach so aus ihrer Haut raus und sich damit von der Diskriminierung distanzieren, der schwarze Menschen tagtäglich ausgesetzt sind.“

Ein Neugeborenes als König durchbricht bestehende Muster und Rollen

Das Neue Testament kennt noch keine drei Könige. Im Matthäusevangelium waren es nicht nur drei und auch keine Könige, sondern eine Delegation hoher politischer Beamter. Sie kamen aus dem Reich, das im Osten an das römische Herrschaftsgebiet angrenzte. Die Beamten konnten Sterne deuten, und Sterndeuterei war damals etwa so wichtig wie heute in der Politik Wahlumfragen oder demoskopische Analysen. Die römische Machtperspektive hat diese politischen Gesandten der befeindeten Nachbarn aber als Fremde und Untermenschen betrachtet. Genau diese entdecken nun das unscheinbare Kind Jesus als neuen König in Israel. Ein König, der ganz anders ist, als der Kaiser in Rom und der Despot Herodes in Jerusalem. Die biblische Geschichte der Sterndeuter durchbricht also bewusst damals herrschende diskriminierende Muster und Rollen. Sie regt deshalb an, auch unsere Krippen- und Sternsingertraditionen neu zu überdenken. Bis Weihnachten ist ja noch etwas Zeit dazu.

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