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Denn deine Sprache verrät dich

Denn deine Sprache verrät dich

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Wenn ich mich mit anderen Menschen unterhalte, gebe ich immer etwas von mir preis. Zum Beispiel dadurch, welche Wörter ich benutze. Oder durch meinen leichten westfälischen Akzent. Man könnte fast sagen: Meine Sprache verrät mich. So eine Erfahrung wird auch in der Bibel geschildert: Simon Petrus, ein Jünger von Jesus, verrät sich durch seine Sprache. Gerade ist Jesus gefangen genommen und dem Gericht vorgeführt worden. Petrus wartet draußen, als er angesprochen wird: „Hör mal, du gehörst doch auch zu den Anhängern von diesem Jesus.“ Petrus bestreitet, Jesus zu kennen. Doch die anderen sind sich sicher: „Du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich. “

Heute gibt es ein Computerprogramm, das noch viel mehr aus der Sprache heraus liest als nur, dass man zu einer bestimmten Gruppe gehört oder aus einer Gegend kommt. Das Programm schließt von der Sprache eines Menschen auf seinen gesamten Charakter. Die Journalistin Katrin Hummel hat das Computerprogramm an sich selbst getestet. Dazu nahm sie an einer kurzen Telefonbefragung teil. Eine Computerstimme forderte sie auf, Fragen zu beatworten, zum Beispiel: „Welche Sorgen hatten Sie in den vergangenen Wochen?“ Oder: „Beschreiben Sie bitte einen typischen Sonntag.“ Ihre Antworten wurden aufgezeichnet. Das Programm wertete ihre sprachlichen Muster aus und erstellte dann ein Persönlichkeitsprofil. Ob sie ein zufriedener Mensch ist, ausgeglichen oder ängstlich. Katrin Hummel stellte zu ihrer Überraschung fest: Fast immer lag das Programm richtig in der Einschätzung ihrer Persönlichkeit.

Dieses Computerprogramm wird von einer Firma vertrieben, die natürlich damit Geld verdienen will . Sie verspricht: „Was wir machen, berührt jeden. Es wird die Welt verändern. Mit dem Programm wissen wir, was für ein Mensch Sie sind. Wir müssen Sie dazu gar nicht kennen. Wir vertreiben die Software nur an Firmen. Banken, Versicherer, die Polizei, eine Online-Partnerbörse haben schon zugegriffen.“

Diese Methode könnte unsere Gesellschaft in der Tat auf den Kopf stellen. Zum Beispiel, wie wir einen Job oder einen Partner finden, was unsere Krankenkasse über uns erfährt und warum wir gekündigt werden. Nach dem Motto: „Zeig mir, wie du sprichst, und wir sagen deinem Chef, wer du bist“.

Ich finde: Unter ganz bestimmten Umständen können solche Programme nützlich sein, weil sie herausfinden könnten, ob jemand lügt. Aber sie sind auch gefährlich. Denn die Ergebnisse werden rein kommerziell genutzt. Und sie können mehrdeutig sein. Mir geht es ähnlich wie der Journalistin: Das Ganze ist mir unheimlich. Denn die Software will auch in Bereiche der Psyche vordringen, mit denen sich die betreffende Person noch gar nicht beschäftigt hat.

Ich glaube daher: Nichts ersetzt die persönliche Beziehung. Ich will keine Gesellschaft, in der ich andere Menschen angeblich durchschaue, ohne sie zu kennen. Das zeigt mir auch die Geschichte von Simon Petrus. Wer er wirklich war und was in ihm steckte, das konnte niemand an drei Sätzen herauslesen. Er war ein Mensch mit Widersprüchen, mit schwierigen und guten Seiten. Es braucht Zeit, einen anderen Menschen kennen zu lernen. Und Vertrauen, das ich nicht zu einer Maschine aufbauen kann.

Ich freue mich auf Menschen aus Fleisch und Blut, denen ich heute begegnen werde Denen ich etwas von mir zeigen kann. Dann nehme ich gerne in Kauf, dass meine Sprache etwas von mir verrät.

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