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Johannistag

Johannistag

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Ein ungewöhnlicher Mensch aus der Bibel hat heute Gedenktag. Der 24. Juni heißt auch Johannistag, weil an Johannes gedacht wird, der in der Wüste gelebt hat und am Jordan getauft hat. Deshalb wird er „der Täufer“ genannt. Er war ein Außenseiter, ein Freak. Im Blick auf Modegeschmack und Ernährung empfand ich ihn nie als Vorbild: Mit einem Kamelfell war er bekleidet. Er hat sich von Honig und wilden Heuschrecken ernährt. Seine Botschaft war unbequem: „Kehrt um!“, rief er den Leuten zu. „So kann es mit euch und der Welt nicht weitergehen! Ihr habt nicht mehr viel Zeit. Die Axt ist an die Wurzel gelegt!“ Aber er war, was auch heute enorm wichtig ist: Er war authentisch. Er hat den Menschen gesagt, was er als richtig erkannt hatte.

Einmal kam sogar Jesus zu ihm an den Jordan. Und Johannes taufte Jesus. Johannes hatte sofort begriffen, wen er da vor sich hatte. Nämlich einen Mann, der von Gott geschickt war, um die Liebe Gottes unter die Menschen zu bringen. Später aber kamen Johannes Zweifel. Später, als Johannes im Gefängnis saß. Weil die Mächtigen seine Appelle nicht hören wollten. Seine Lage war deprimierend. Und so fragte er: „Was ist los mit dir, Gott? Und was ist dran an dir, Jesus? Ich sitze hier im Gefängnis. Noch immer werden Menschen unterdrückt. Noch immer gibt es Kriege. Bist du es, Jesus, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“

Jesus lässt ihm über Mittelsmänner seine Antwort ausrichten. Sie lautet: „Ja, man kann verzweifeln, wenn man sieht, was in der Welt alles schief läuft. Und ja: Ohne Umkehr, ohne einen anderen Lebensstil ist die Welt in Gefahr.“ Aber Jesus ermutigt Johannes, dabei nicht stehenzubleiben. Die Sichtweise zu ändern. Er will, dass Johannes die Zeichen von Gottes Güte in der Welt wahrnimmt. Und so sagt Jesus zu ihm: „Sieh genauer hin: Gott ist schon dabei, die Welt zu verändern. Blinde sehen und Lahme gehen. Aussätzige werden rein und Taube hören. Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt.“

Die Antwort, die Jesus dem Johannes gibt, ist keine Antwort, mit der man alles erklären kann. Bis heute bleiben Fragen offen. Deshalb höre ich genau, was Jesus sagt: Wo Menschen wie tot sind und wieder neuen Mut gewinnen, da ist Gott am Werk. Wo Menschen die Augen aufgehen und sie die Schönheit der Welt entdecken, wird das Leben anders. Gott ist am Werk, wo Menschen Ballast abwerfen und sie wieder gehen können. Wo sie sich einsetzen für die, die am Rand stehen. Da verändert sich die Welt.

„Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?" (Matthäus 11,5). Nein, auf einen anderen möchte ich nicht warten. Für mich hat Gott in Jesus sein Gesicht gezeigt. Er hat mit Menschen gelitten, ihnen zur Seite gestanden. Er hat gezeigt, dass Beziehungen neu beginnen können, wo wir einander vergeben. Mit so einem Gott möchte ich es zu tun haben. Nach seinen Geboten leben. Das verändert die Welt.

Es bleibt offen, ob Johannes der Täufer im Gefängnis angenommen hat, was Jesus ihm sagen ließ. Zumindest hat er die richtige Frage gestellt. Vielleicht hat er selbst neu sehen gelernt. Und neue Hoffnung gewonnen.

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