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Warten auf die heile Welt
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Warten auf die heile Welt

Dr. Klaus Dorn
Ein Beitrag von Dr. Klaus Dorn, em. Dozent am Kath.-Theol. Seminar, Marburg
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Langsam wird die Sache ernst! Nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Dabei werden wir ja schon seit Wochen mit Weihnachtlichem geplagt. Alle Jahre wieder plärrt es durch die Lautsprecher auf den einschlägigen Märkten und in den Kaufhäusern. Lebkuchen und Nikoläuse standen bereits nach den Sommerferien in den Regalen. Wenn dann wirklich Weihnachten ist, will man von dem ganzen Getöse am liebsten nichts mehr hören und sehen. Warum mit diesem Rummel nicht wenigstens bis zum Advent gewartet wird? Ganz einfach: Wer die Weihnachtsartikel als Erstes in den Regalen stehen hat, verkauft sie  auch als Erstes. Der Markt, dieses böse und unbekannte Wesen, schreit danach – und wird bedient. Wer will da von Verführung reden?

Die deutsche Weihnacht hat im Ausland den Ruf, ein stilles, familiäres Fest zu sein. Trotzdem verläuft dieses Fest in manchem Haus so nervig wie kein anderes im ganzen Jahr, wenn die komplette Familie zusammenkommt und versucht, heile Welt zu spielen. Die Besonderheiten der Familienmitglieder, die man ohnedies noch nie ausstehen konnte, kommen da geballt auf alle zu. Es ist oft ein unnatürlicher Ausnahmezustand und so funktioniert das mit dem so genannten Weihnachtsfrieden eher nicht so gut. Und dann wartet man auch noch auf weiße Weihnachten. Schon Wochen vorher meldet der Wetterbericht, ob es weiße Weihnacht gibt oder nicht. Denn die suggeriert Reinheit und Unschuld – doch wenigstens für einige wenige Tage im Jahr. Darüber hinaus wünscht man sich nichts sehnlicher, als dass die Nachrichten mal nichts bringen von Flüchtlingen bei Minustemperaturen in dünnen Zelten, nichts über ertrunkene Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer. Kann es denn nicht einmal, nur einmal für ein paar Tage bitte, keine Kriegsbilder geben, keine Häuser, die in Schutt und Asche gelegt werden, keine Leichen, die auf den Straßen liegen, und auch keine Bilder von Naturkatastrophen? Hat uns nicht der Tsunami 2004 das ganze Fest verdorben, jene Todesflut im scheinbaren Paradies?

Es ist schon merkwürdig: Trotz allem machen wir uns gerade im Kommen von Weihnachten Hoffnung auf eine friedliche Welt. Wir warten auf eine Welt ohne Mühen und Plagen, auf Frieden, auf Schalom, wenigstens für uns, wenn es schon nicht für alle geht. Die Fenster in die Welt werden zugesperrt, die Rollos runtergelassen. Nichts soll uns stören. Das alles ist zutiefst menschlich und muss ernst genommen werden.

Schon die Propheten des Alten Testaments künden von solchen Zeiten, vom Tag des Herrn, der nicht nur Gericht, sondern eben auch das Heil Gottes bringt. Das können wir nicht herbeizaubern. Viele Bemühungen sind im Laufe der Geschichte gescheitert. Die Welt ist, wie sie ist, und der Mensch genauso. Aber ab und zu tut sich doch einmal ein Fenster auf und wenigstens etwas von dem, was wir erhoffen, wird uns geschenkt – vielleicht gerade heute, am Tag des heiligen Nikolaus.

 

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