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Von "To Do's" zu "todos"
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Von "To Do's" zu "todos"

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt
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„Hilfe! Ich komme meinen Listen nicht mehr hinterher!“, seufzt eine junge Mutter, halb belustigt, halb erschöpft. Jeden Morgen macht sie sich ihre „To do Liste“: was ist einzukaufen, welche Rechnung muss bezahlt werden, an welche Geburtstage will sie denken, welche Anrufe und Mails muss sie beantworten, welche Routine-Arzttermine für ihr Baby sind zu absolvieren und was will sie jenseits von Kindversorgen für sich selbst machen.

Das englische „To do“, also was ist zu tun, wird ganz schnell zum spanischen „todos“, und das heißt übersetzt einfach alles. Einfach alles ist zu tun. Jeder einzelne Punkt in sich scheint harmlos. Ist ja schnell gemacht! Und trotzdem kann sie am Abend nur zwei oder drei Punkte von ihrer Liste streichen. Die übrigen fünf, sechs, sieben wandern unerledigt und treu auf die Liste für den nächsten Tag. Und das Spiel beginnt von vorne.

Sisiphus ein glücklicher Mensch?

Der Schriftsteller und Philosoph Albert Camus meinte: „Wir müssen uns Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Sisyphus war von den Göttern dazu verdammt, einen Felsblock einen steilen Hang hinaufzurollen. Kurz vor dem Ende des Hangs entglitt ihm jedes Mal der Fels und rollte wieder hinunter. Sisyphus musste von vorne anfangen.

Camus meint: Das Ende ist zwar jedes Mal fatal. Auf dem Weg den Hang hinauf aber ist Sisyphus sein eigener Herr, die treibende Kraft, der Gestalter, der den Stein pusht. Nun gut, das ist eine erfrischend andere Sichtweise. Doch am Ende des Tages angesichts halberledigter To do Listen stellen sich Glücksgefühle nicht immer ganz so leicht ein. 

Listen-Weisheit in der Bibel

Listen haben eine lange Geschichte. Im Alten Testament gibt es die sogenannte Listen-Weisheit. Um das Leben zu erfassen und handhabbar zu machen, sammelten die damaligen Gelehrten in langen Listen alles, was sie über das Verhalten des Menschen und die Phänomene der Natur beobachtet haben. Das war nicht abgehoben für den Elfenbeinturm, sondern praktisch gedacht: Wenn man die Welt und die Möglichkeiten, die ein Mensch hat, in Listen erfasst, dann kann man daraus lernen, wie man sich richtig verhält. Listen, von den Weisheitslisten in der Bibel bis hin zu den „To do Listen“ heute sind also ein uraltes, bewährtes Instrument, um den Alltag zu bewältigen. Sie helfen, den Überblick zu behalten.

Das Wissen um die eigenen Grenzen schenkt Freiheit

Zur Weisheit gehört aber auch die Einsicht: Meine Kräfte sind begrenzt. Ich kann eben nicht „todos“, nicht alles. Sklave meiner To do Liste will ich nicht werden. Dranbleiben an dem, was ich an einem Tag erledigen kann, das Ja! Aber zugleich sage ich mir jeden Tag: Nein, du bist nicht allmächtig. Du wirst nicht alles schaffen. Das Wissen um die eigenen Grenzen schenkt Freiheit. Dann kann ich am Ende des Tages genüsslich die erledigten Punkte von der Liste streichen und am nächsten Morgen neu starten. Neuer Tag, neues Glück. Jesus sagt: „Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ (Matthäus 6,34)

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