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Von Ameisen lernen – Der Glaube an den guten Ausgang der Dinge
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Von Ameisen lernen – Der Glaube an den guten Ausgang der Dinge

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

In dem Fachwerkhaus, in dem wir wohnen, krabbelten Ameisen herum. Die Nachbarn haben mich beruhigt: Das ist häufig so in alten Häusern, die aus Holz und Lehm gebaut sind. Sie wohnen auch in solchen Häusern. Doch wo kommen die Ameisen her? Es wurden täglich mehr.
Und dann haben wir entdeckt, dass sie durch einen Spalt in einem Fachwerkbalken von draußen ins Haus eingedrungen sind. Der Balken war von den kleinen Tieren zu einem nicht unerheblichen Teil zerfressen und ausgehöhlt. „Du musst die Schädlinge beseitigen", hat mir der Nachbar geraten. Ameisen sind Schädlinge – ist das so?
Vor kurzem habe ich das ganz anders gehört. Da erzählte jemand, dass sein Sohn in seiner Wohnung Ameisen hält, in einem Terrarium. Und er hat Freunde, die machen das auch.
Was ist nun die Ameise – hier Schädling, dort Haustier? Das kommt auf den Blickwinkel an. Doch wie das Urteil auch ausfällt, eines ist gleich: Ameisen sind emsige, flinke Tiere, die sich gemeinsam in einer geordneten Struktur ans Werk machen. Sie sind ähnlich wie die Bienen staatenbildende Insekten – so bezeichnen sie die Biologen.
Jede Ameise hat ihre Aufgabe, die mit anderen zusammenpasst. Gut vernetzt kann man das nennen. Sie haben ein gemeinsames Ziel, nämlich ihren Ameisenstaat zu bauen, zu erhalten und wenn nötig zu reparieren. Sie sind echte Arbeitstiere, ständig aktiv.
Diese Eigenschaft haben die kleinen Insekten mit uns gemeinsam. Darum gelten sie als Vorbild für das menschliche Tun.
„Gehe hin zur Ameise, du Fauler; siehe ihre Weise an und lerne." So steht es in der Bibel in einer Sammlung von Lebensweisheiten. Müßiggang und Rumliegen werden scharf kritisiert: Wie lange liegst du, Fauler? Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf? Und dann heißt es spöttisch: „Ja, schlaf noch ein wenig, schlummere noch ein bisschen, schlag die Hände übereinander." Ich weiß nicht, ob der Autor dieser Sätze Faulenzer kritisieren wollte. Eindringlich finde ich seine Sätze schon. Er fordert Menschen auf, sich ameiseneifrig für die gemeinsame Gestaltung des Daseins einzubringen und nicht den sozialen Wohlstand auszunutzen und faul rumzuliegen.
Bei den staatenbildenden Insekten wie Ameisen sind alle beteiligt, nicht nur ein paar Fleißige oder Arbeitsbesessene. Das ist ihre Stärke. Man nennt das Resilienz, die Kraft wiederherzustellen, was kaputt gegangen ist. Die Ameisen lassen sich da nicht beirren. Wenn ein anderes Tier ihren Bau zerstört hat oder ein Mensch in den Ameisenhaufen getreten hat, dann arbeiten sie so lange, bis der Schaden behoben ist. Tun wir Menschen das auch? Dafür braucht es eine Haltung, die ich mir stärker wünsche. Ich nenne sie: den Glauben an den guten Ausgang aller Dinge. Klar geht mal was schief. Aber wer an den guten Ausgang der Dinge glaubt, sagt: Gemeinsam bekommen wir das hin.
Haben wir Menschen diese Kraft? Ich bin sicher, im Glauben ans gemeinsame Gelingen werden wir sie finden. Die Botschaft lautet: Bring dich ein, mach mit – in deinem Dorf, in der Kirchengemeinde, in einem Verein. Betätige dich, so gut du kannst. Nur faul rumsitzen ist zu wenig.
Und übrigens: Die Ameisen in meinem Haus habe ich nicht beseitigt. Aber ich habe ihre Ameisenstraße umgeleitet in die Scheune. Da können sie weniger Schaden anrichten."

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