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Überraschender Besuch
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Überraschender Besuch

Thomas Zels
Ein Beitrag von Thomas Zels, Pastor, Freie evangelische Gemeinden Marburg
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Es klingelte an meiner Tür. Als ich aufmachte, standen da drei orientalisch verkleidete Kinder mit Turbanen und goldenen Umhängen. Sofort fingen sie an zu singen: „Wir kommen daher aus dem Morgenland…“ Erst dachte ich: Schon wieder Halloween? Nein, das war Ende Oktober. Karneval? Konnte auch nicht sein. Dann fiel´s mir ein: Dreikönigstag!

Wo der 6. Januar kein Feiertag ist, bemerkt man diesen christlichen Gedenktag vielleicht nur durch das alljährlichen Dreikönigstreffen der Liberalen. Oder eben, wenn eine verkleidete Kindergruppe an der Tür klingelt.

Freundlich habe ich das Lied abgewartet. Dann sagten die Sternsinger, dass sie für behinderte Kinder in Peru sammeln. Dafür habe ich gerne etwas gegeben. Als Dankeschön hefteten sie ein Klebeschild über meiner Haustüre an mit den Zeichen  20+C+M+B+19. Dann machen sie kehrt und zogen ein Haus weiter.

Die Aktion Dreikönigssingen ist die größte Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder weltweit. Seit Beginn vor sechzig Jahren haben die Sternsinger insgesamt eine Milliarde Euro gesammelt. Beeindruckend.

Die merkwürdigen Zeichen 20+C+M+B+19 über der Haustüre habe ich irgendwann auch verstanden. Manchmal werden sie mit Kreide geschrieben. Die erste Zahl steht immer für unser Jahrhundert, die letzte für das aktuelle Jahr. Und hinter C+M+B verstecken sich nicht etwa die Namen Caspar, Melchior und Balthasar, wie viele meinen, sondern der lateinische Satz "christus mansionem benedicat". Auf Deutsch: Christus segne dieses Haus. Seit ich das weiß, freue ich mich jedes Mal über den angeklebten Segenswunsch über der Tür. Denn gesegnet sein wünsche ich mir.

Persönlich gesegnet werden war eine der ersten Erfahrungen, die ich als junger Christ gemacht habe. Mein Glaube an Christus war als Schüler durch eine Art mobile Zeltkirche gerade aufgeweckt worden. Zu der Zeit ging es mir nicht gut, weil ich kurz vorher meine Mutter gestorben war. Ich besuchte etwas später eine evangelische Freikirche in Lüdenscheid, wo ich noch zum Gymnasium ging. Der Gottesdienst dort war lebendig und es gab das Angebot, sich segnen zu lassen. Mitglieder dieser Kirche waren bereit, jeden zu segnen, der das wünschte. Ich nahm das etwas aufgeregt an. Was würde mich erwarten? Ich ging zu einem der jungen Männer und sagte ihm so allgemein, dass es mir nicht gut ging. Darf ich dich segnen?, war seine Reaktion. Und ich sagte Ja. Erst betete er für mich. Mir kam es vor, als ob ich ihm detailliert von mir erzählt hätte, was ich aber nicht hatte. Und dann segnete er mich. Und das war der Hammer. Er redete von den guten und großen Gedanken, die Gott im Blick auf mich habe und segnete mich mit einem wirkungsvollen, reichhaltigen Leben als Christ in der Zukunft. Diese Worte fielen in mein unsicheres Herz wie ein neues Fundament, auf dem ich aufbauen konnte. Gott sah mich und wollte mich gebrauchen! Diese Worte bildeten ein Gegengewicht zu all den negativen, entmutigenden Worten, die ich bis dahin über mich gehört hatte. Kann man sich was Besseres wünschen, als gesegnet zu werden?

Dieser erste persönliche Segen hat mich nachhaltig begleitet. Immer wieder hat er mir Mut gemacht, wenn ich vor Entscheidungen stand. Inzwischen bin ich Pastor und segne auch selber andere Menschen in ihren oft schwierigen Lebenslagen.

Wenn die Sternsinger rund um den Dreikönigstag bei mir auftauchen, dann nehme ich ihren Segenswunsch gern für mich an. Das Kürzel C-M-B, also „Christus segne dieses Haus“, entspricht ganz meinem sehnlichen Wunsch, ein Mensch zu sein, der für andere eine gute Bedeutung hat.

Wie die sogenannten Heiligen Drei Könige, auf die der Brauch des Dreikönigfestes zurückgeht. Nach biblischer Erzählung kamen sie an die Krippe Jesu und schenkten der überraschten Familie Gold, Weihrauch und Myrrhe. (Matthäus 2,1-12)
Vermutlich kamen diese Besucher wohl aus Babylon im heutigen Irak. Und was sie mitgebracht hatten, war damals kostbar und ist es heute noch. Weihrauch ist das getrocknete Harz seltener Balsam-Stauden und Myrrhe ist das wertvollste davon. Diese Geschenke waren nicht nur kostbar, sondern wurden auch als Heilmittel eingesetzt. Diese Geschenke haben der kleinen Familie wahrscheinlich das Überleben gesichert, denn bald nach der Geburt musste die Familie Jesu ja fliehen vor den Nachstellungen des Königs Herodes. Die Bibel nennt die Besucher nicht Könige, sondern Magier. Sie waren weise Menschen mit einem Sinn für die unsichtbare Welt. Sie hatten vorher im Königspalast Jerusalems nach dem neugeborenen König der Juden geforscht. Herodes beauftragte sie dann persönlich mit dieser Suche, hatte aber den Hintergedanken, dieses Kind zu töten. Glücklicherweise ahnten die Magier, dass sie missbraucht werden sollten und reisten anschließend nach Hause, ohne Herodes erneut zu treffen.

Ihre wertvollen Geschenke sind bis heute ein Segens-Symbol für mich. Gold, Weihrauch und Myrrhe kann ich zwar nicht verschenken, aber ich kann Menschen etwas Gutes tun, die sich in Not befinden. Zum Beispiel den Kindern in Peru, für die die diesjährigen Sternsinger sammeln. Oder Menschen, die ich im Alltag treffe und denen ich spontan was Gutes tue. Auch Kleinigkeiten können kostbar sein.

Ich gebe gern. Natürlich besonders denen, die zu mir gehören, oder denen ich mich freundschaftlich verbunden fühle. Auf diese Weise kann ich zeigen: Ich hab an dich gedacht, du bedeutest mir was.

Damit tue ich mir auch selber etwas Gutes. Nicht umsonst sagte Jesus: Geben ist seliger als Nehmen. (Apostelgeschichte 20,35)
Oder anders: Geben macht glücklicher als Nehmen. Sicher sind auch immer wieder Sachen dabei, die ins Geld gehen. Besonders zu Weihnachten. Im Lauf der Zeit habe ich aber gemerkt, dass es gar nicht immer die Tablets, Event-Gutscheine oder Edelmetalle sind, die bewegen. Sondern eher die alltäglichen Geschenke, die beweisen, dass ich hingesehen habe. Die unerwarteten Aufmerksamkeitenmittendrin. Deshalb verschenke ich gern Dinge, die nicht teuer sind, und trotzdem Wert für den anderen haben.

Manchmal hab ich Leuten was geschenkt, die ich kaum kannte. Der Frau vor mir an der Kasse den Betrag, den sie zu wenig dabei hatte. Einer iranischen Familie einen Info-Kurs auf persisch für das Alltagsleben in Deutschland. Oder einem alleinstehenden Bekannten einen Adventskranz, weil er mal bemerkt hatte, dass sich so ein großer Schmuck für einen allein nicht lohnt. An seinem Blick hab ich gesehen, dass es sich doch gelohnt hat. Übrigens auch für mich. Der Dichter des Kleinen Prinzen, Antoine de Saint-Exupéry, hat gesagt: Schenken auch ein Brückenschlag über den Abgrund meiner Einsamkeit. (aus: Die Stadt in der Wüste, Citadelle, Düsseldorf, Karl Rauch, 1951, S. 164)

Nicht der Preis macht ein Geschenk wertvoll, sondern die Zuwendung, die dahinter steckt, die Aufmerksamkeit. Sowas kostet in der Regel nicht viel Geld, sondern nur etwas Hineindenken in den anderen und ein bisschen Zeit. Wertvolle Geschenke müssen nicht teuer sein. Oft kommen die schönsten Geschenke sogar fast unscheinbar daher, alltäglich. Aber sie bewegen was. Weil der andere merkt: ich habe ihn gesehen, ich habe etwas von ihm verstanden, ich hab mir Zeit genommen. Und das ist das ganze Jahr über möglich.

Für mich hat das viel mit meinem christlichen Glauben zu tun. Christen wissen, dass Gott sich in Jesus den Menschen zuwandte. Durch Jesu Kreuzigung und Auferstehung vom Tod schenkt Gott sich selber für immer denen, die ihn suchen. Jeden Tag.

Ich erlebe das auch selbst. Ich genieße täglich, nicht mehr allein zu sein, weil ich mich mit Christus verbunden weiß. Ich bin beschenkt. und das gebe ich gerne weiter.

Wenn ich an denen, die ich treffe, nicht achtlos vorbeigehe, schenke ich ihnen Aufmerksamkeit, so wie ich sie auch selbst bei Gott empfinde. Ich versuche, andere ehrlich zu fragen, wie es ihnen geht. Nicht nur anstandshalber.

Und wenn ich jemanden in Not sehe, dann will ich nicht so tun, als ginge mich das nichts an. Denn glücklicherweise tut Gott auch nicht so, als gingen ihn meine Sorgen nichts an.

Sätze wie:  „Schön, dich hier zu treffen!“ oder „Ich hab dir was mitgebracht,“ können ein Geschenk sein.  Oder: „Du siehst müde aus, hattest du einen anstrengenden Tag?“ Oder: „Wie war das Gespräch mit deinem Chef?“ Oder: „Ist euer Kleiner wieder gesund?“  Oder: „Erzähl mir, wie es mit deiner Ausbildung klappt.“ Oder: „Hast du Zeit, was mit mir zu essen?“

Alles kleine Zeichen, dass ich jemanden sehe, mich für ihn interessiere. Solche Dinge sind so wertvoll, wie die Geschenke der Heiligen Drei Könige.

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