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Schwerter zu Pflugscharen

Schwerter zu Pflugscharen

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Auf den Tag genau 70 Jahre ist es her, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, dass die ersten CARE-Pakete in Deutschland verteilt werden durften. Vorher waren Hilfslieferungen in die westdeutsche Besatzungszone verboten. Günther Meier hat das als Kind erlebt und erzählt: „Ich erinnere mich noch ganz genau an das erste CARE-Paket bei uns in der Schule. Damals, als bei uns alles in Schutt und Asche lag. Wie lange hatten wir schon keine richtige Schokolade mehr gegessen.“

Vertreter amerikanischer Wohlfahrtsverbände hatten nach dem Krieg Europa besucht und festgestellt: Wir müssen helfen. So viele Menschen, denen es am Nötigsten fehlt. Ihre Vision: Hilfe für ehemalige Feinde, von Mensch zu Mensch, als ein Zeichen der Völkerverständigung und des Friedens.

Sie schlossen sich zu der Organisation mit dem Namen CARE zusammen, eine englische Abkürzung für „Genossenschaft für amerikanische Sendungen nach Europa“. Die ersten Pakete stammten aus US-amerikanischen Armeebeständen. Es war die Marschverpflegung eines Soldaten für zehn Tage: Fleisch, Zigaretten und eben auch Schokolade. Nun retteten diese Pakete das Leben vieler Familien in Deutschland. Das, was eigentlich für den Krieg bestimmt war, sollte nun das Leben der ehemaligen Feinde sichern. Kriegsmittel wurden zu Lebensmitteln. Günter Meier erzählt: „So lange war uns eingetrichtert worden: Die Amerikaner sind unsere Feinde, sie hatten uns ja auch bombadiert. Und jetzt schickten die uns Lebensmittel statt Bomben!“

Lebensmittel statt Bomben. So ähnlich schildert der Prophet Micha in der Bibel die Vision von einer Welt, in der Feindschaften überwunden sind; in der Kriegsmittel zu Lebensmitteln werden. Da heißt es: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“

Der Prophet Micha wusste: Diese Vision kann nur Wirklichkeit werden, wenn es viele Menschen gibt, die den Krieg nicht mehr wollen. Die sich ernsthaft um den Zustand der Welt sorgen und sich um andere Menschen kümmern. Nicht zufällig ist „care“ auch ein viel benutztes englisches Wort und heißt auf Deutsch „sich sorgen, sich kümmern“. Sehr viele Menschen in Amerika ließen sich damals von der Not der Deutschen anrühren. Viele US-Amerikaner spendeten 15 Dollar für ein Paket, und Care verschickte die Pakete mit dem Absender der Person, die gespendet hat. Ein Erfolg der Aktion lag deshalb sicher in der persönlichen Verbindung. Fast zehn Millionen Pakete erreichten zwischen 1946 und 1960 Westdeutschland; davon gingen drei Millionen nach West-Berlin, insbesondere über die Berliner Luftbrücke. Für viele ein Geschenk des Himmels.

Erst kürzlich hat Günter Meier erfahren, dass es die Organisation CARE bis heute gibt. Von Deutschland aus geht Hilfe zum Beispiel nach Kenia in ein Flüchtlingscamp. Kindheit an diesem Ort ist das Leben auf der Müllhalde. Gemeinsam mit lokalen Partnern holt CARE die Kinder von der Müllkippe, ermöglicht ihnen den Schulbesuch und eine Ausbildung und bietet sozialen Halt durch Sport- und Förderangebote. So werden bis heute Schwerter zu Pflugscharen verwandelt. Günter Meier findet das gut. Er meint: „Da werden die Spendengelder sinnvoll verwendet. Ich habe die Hoffnung: Da lernen die jungen Leute nicht mehr Krieg zu führen, sondern friedlich zu leben.“

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