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Organspende - wem gehört mein Körper nach dem Tod?
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Organspende - wem gehört mein Körper nach dem Tod?

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt
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Moderator/Moderatorin: Sind wir bald alle potenzielle Organspender? So haben es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Karl Lauterbach von der SPD gemeinsam mit anderen Abgeordneten diese Woche vorgeschlagen. Ihre Widerspruchsregelung bedeutet im Kern: Jeder gilt nach seinem Tod als Organspender, sofern er nicht explizit zu Lebzeiten Nein gesagt hat. Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock kritisiert das. Sie hat zusammen mit anderen Politikern eine Alternative vorgeschlagen. Jeder wird immer wieder mal gefragt, ob er Spender sein will. Zum Beispiel bei der Ärztin oder auf dem Amt, wenn man einen neuen Personalausweis braucht. Organspende – Ja oder Nein und, wenn Ja, wie. Darum geht es im hr1 Zuspruch von Pfarrer Martin Vorländer von der evangelischen Kirche.

Das Thema geht mir an die Nieren. Ich gehöre zu den über 80 Prozent der Befragten in Deutschland, die sagen: Organspende finde ich an sich richtig. Aber ich habe keinen Organspende-Ausweis. Ich bin da im Clinch mit mir selbst. Einerseits finde ich den Gedanken gut: Wenn ich sterbe, können meine Organe anderen helfen. Andererseits gibt es bei mir ein Unbehagen: Für mich wird hier ins Sterben eingegriffen. Wenn ich hirntot bin, wird mein Körper noch künstlich am Leben erhalten, um funktionsfähige Organe zu entnehmen. Es gibt ein Geheimnis des Sterbens. Was wirklich dabei geschieht, wissen wir nicht. Davor habe ich Respekt. Außerdem habe ich ein Recht darauf, in dieser Frage gar keine Entscheidung treffen zu müssen. Das würde mir bei der Widerspruchsregelung von Jens Spahn und Karl Lauterbach genommen. Nach deren Gesetzesvorschlag würde gelten: Schweigen ist gleich Zustimmung. Hirntod ist gleich: Meine Organe gehören der Gesellschaft. Das geht mir an die Nieren. Die evangelische und die katholische Kirche sagen: Ja, Organspende kann Leben retten und kann damit eine Tat der Nächstenliebe sein. Die Kirchen sagen aber auch: Es gibt keine christliche Pflicht, seine Organe zu spenden. Jede und jeder muss sich frei dafür oder dagegen entscheiden können. Darum sind beide Kirchen gegen die Widerspruchsregelung – aus Respekt vor der Gewissensentscheidung jedes einzelnen. Und eine Spende kann es nur sein, wenn sie freiwillig erfolgt. Was denke ich? Für mich ist die goldene Regel von Jesus eine Entscheidungshilfe. Was du willst, das man dir tut, das tu auch für andere. Also frage ich mich: Würde ich ein Spenderorgan wollen, wenn ich eins bräuchte? Wenn ich mit Ja antworte, muss ich zu mir selbst sagen: Unterschreib den Organspende-Ausweis! Diese Entscheidung sollte bei mir bleiben. Und nur so kann es eine Spende bleiben.

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