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Neue Rollen! Eintauchen in die Passionsgeschichten
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Neue Rollen! Eintauchen in die Passionsgeschichten

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt

In der Bibel stehen dramatische Geschichten. Viele Figuren in diesen Geschichten laden dazu ein, in ihre Rolle einzusteigen und sich in ihre Lebenslage einzufühlen. Wenn ich mich so auf die Geschichten der Bibel einlasse, dann gewinne ich oft einen neuen Blick auf das Leben. Besonders stark finde ich das bei den Passionsgeschichten. Jetzt in der Passionszeit, also in den Wochen vor Ostern stehen sie im Zentrum der Gottesdienste. Die Passionsgeschichten in der Bibel erzählen von Judas, der so viel von Jesus erwartet hat und ihn dann an seine Feinde verraten hat. Da gibt es Petrus, der immer vorne dran sein wollte, sich alles zutraute, aber auch heftig an sich selber gezweifelt hat. Und da ist Maria, die Mutter von Jesus, die um ihren Sohn weint.
Ich finde, es ist ein kleines Wagnis, in die Passionsgeschichten einzutauchen. Eigene Gedanken und Gefühle werden plötzlich wach, nicht nur einfache. Ich habe zwar keinen Freund so verraten wie Judas, aber doch auch mal Menschen im Stich gelassen. Ich bin auch oft gerne vorn dran wie Petrus und traue mir was zu. Aber wie komme ich mit meinen Selbstzweifeln zurecht? Und ich finde es, es gehört zum Schwersten, wenn ein Kind stirbt. Wie kann ich mitfühlen und für eine Mutter da sein, die um ihren Sohn oder um ihre Tochter weint? Das lösen die Passionsgeschichten der Bibel bei mir aus.
Und sie ziehen mich auf den Weg, den Jesus gegangen ist. Das ist ein Weg, der mich in Bereiche des Lebens führt, an die ich mich nicht immer heranwage. Jesus liefert sich ganz an seine Feinde aus. Er sagt kein Wort der Verteidigung, als sie ihm den Prozess machen. Er hält das Unrecht aus, das sie ihm antun, lässt sich verspotten und schlagen. Am Ende kreuzigen sie ihn. Jesus am Kreuz hat das Gefühl, sogar Gott hat ihn verlassen. Die tiefe Ohnmacht, der große Schmerz und das Festhalten an Gott bis in den Tod am Kreuz – das ist eine Wirklichkeit, die ich kaum aushalte. Auch, weil es sie zigfach bis heute gibt: Gewalt und Unrecht. Menschen, die verlassen und elendig sterben.
Über alle Jahrhunderte hat es Menschen beschäftigt, wie sie diese Wirklichkeit des Lebens Jesu aushalten und ihr nahekommen können. Wie sie seine Schmerzen und sein Leiden nachempfinden und wie sie seinen Glauben und seine Güte leben können. Darum gehört das Mitfühlen zum christlichen Glauben. Christen haben z.B. Krankenhäuser gegründet und Hospize für Sterbende. Das ist ein Nachspüren – einem Geheimnis, dem man auf die Spur kommen möchte.
Die Passionsgeschichte von Jesus nachspüren – das verwandelt Menschen. Ich sehe durch sie meine Grenzen und Möglichkeiten klarer. Sie verändern meinen Blick darauf, wie ich mich anderen gegenüber verhalte. Und sie schärfen mein Gefühl für Schwache und für meine eigenen Schwächen.

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