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Mal ehrlich!
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Mal ehrlich!

Andrea Seeger
Ein Beitrag von Andrea Seeger, Evangelische Theologin
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Ich habe dieses kurze Gespräch nicht vergessen. Es ging um das Thema Lügen. „Das mache ich oft, du nicht?“, fragte meine Freundin. Auf mein ungläubiges Gesicht setzte sie zu Erklärungen an. Es erleichtere viele Dinge, schone den anderen, hebe die Stimmung. Ich war empört. Dann begann ich darüber nachzudenken. Der Zweifel begann zu nagen. Einer Auszeichnung als Moralapostelin habe ich bestimmt nicht verdient – aber lügen? Vorsätzlich?

Nun ja, wenn ich es mir recht überlege … Wir haben vor kurzem meine Mutter besucht. Sie ist eine gute Köchin. Jetzt im Alter lässt das Geschick nach. Aus der Hand nehmen lassen will sie sich das Kochen aber nicht. „Hat es euch geschmeckt?“, fragt sie. „Ja, es war lecker“, antworten wir. Das ist glatt gelogen. Die Sauce war so gut wie nicht gewürzt, Gemüse und Kartoffeln verkocht.

Ein anderes Beispiel: Die Kollegin war lange krankgeschrieben und ist den ersten Tag wieder im Dienst. Ihr gehe es gut, sagt sie auf Nachfrage. Sie sehe blendend aus, sagen die Kollegen. Beides stimmt nicht.

Das alles sind Lügen aus Gefälligkeit. Ist das dann keine richtige Lüge? Und ab wann ist es eine echte Lüge? Wenn die Wahrheit einem anderen wehtut oder sogar schadet? Das sind schwierige Fragen.

Aufschluss gibt vielleicht die Fastenaktion der evangelischen Kirche „Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen“. Von heute an bis Ostern dreht es sich um den Umgang mit der Wahrheit.

Die eine Wahrheit gibt es oft nicht. Gerade in zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es viele Spielarten davon. Je nach Perspektive. Vielleicht kann man herausfinden, woran man Wahrheit erkennt und auch, wann man für sie streiten muss. Vielleicht können wir üben, ehrlich zu anderen zu sein, ohne sie zu verletzen. Und vielleicht kann man lernen, ehrlich zu sich selbst zu sein und sich so zu akzeptieren wie man ist.

Ich gehe mal einen ersten Schritt und sage: Ich bemühe mich, mir selbst gegenüber ehrlich zu sein. Das ist schwer genug. Meiner Mutter werde ich weiterhin sagen, dass mir ihr Essen schmeckt. Alles andere bringe ich nicht übers Herz.            

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