Ihr Suchbegriff
Aus Feinden werden Freunde
Bildquelle Pixabay

Aus Feinden werden Freunde

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Martin Luther und Papst Franziskus waren gestern als lebensgroße Figuren zu sehen, beim Pfingstfest auf dem Frankfurter Römerberg. Viele Menschen waren dort, aber eben auch zwei außergewöhnliche Männer, beziehungsweise riesige Figuren von ihnen: der amtierende Papst Franziskus, Oberhaupt der katholischen Kirche, in weißer Soutane und mit weißem Käppchen, mit einer Hand am Ohr, als würde er intensiv den Menschen zuhören – und Martin Luther, Mönch, Theologieprofessor, Gründer der evangelischen Kirche vor 500 Jahren, mit schwarzem Talar und Bibel in der Hand, sein Blick ist ernst und angestrengt. Zwei ranghohe Kirchenvertreter, die sich natürlich nie getroffen haben. Vor 500 Jahren haben sich der damalige Papst und Martin Luther sogar gegenseitig in die Hölle gewünscht und sich als Teufel beschimpft.

Gestern und in den Tagen davor waren sie als lebensgroße Figuren zusammen unterwegs, die beiden Kirchenmänner: am Hauptbahnhof, in der Straßenbahn und beim bunten Treiben in der Menschenmasse beim Pfingstfest. Katholische und evangelische Christen in einem Frankfurter Stadtteil hatten die Idee zu diesem Projekt. Sie haben die Künstlerin Dina Draeger beauftragt, die Figuren zu gestalten. Eine Künstlerin, die ursprünglich Jüdin ist, aber zurzeit keine Religion hat. Was sie vor allem will: die Menschen miteinander ins Gespräch bringen. „Wer miteinander redet, der schießt immerhin nicht aufeinander“, sagt sie.

Katholische und evangelische Christen sind mit den beiden Figuren zusammen losgezogen: an öffentliche Plätze. Aber auch in einer Frankfurter Straßenbahn. Mit vielen Fragen im Gepäck, für die, die Lust hatten, darüber zu reden: An wen oder was glauben Sie? Was ist für Sie Barmherzigkeit? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Was finden Sie an Ihrer Religion gut? Wo könnte Ihre Religionsgemeinschaft noch dazu lernen? Offene Fragen, die wichtig sind, fürs Zusammenleben. Außerdem konnte man sich mit dem Papst oder mit Luther fotografieren lassen. Oder mit beiden.

Gerade mit der Straßenbahn mitten durch Frankfurt ist immer ein buntes Völkergemisch unterwegs: verschiedene Sprachen, unterschiedliche Gerüche, Kopftücher und Turbane sind dort zu finden. Christen sind eher in der Minderheit.

Einer der freiwilligen Helfer des Projekts sagt: „Früher waren Papst und Luther erbitterte Feinde im Namen der Religion. Im Lauf der Jahrhunderte sind katholische und evangelische Christen Freunde geworden. Dass Luther und der Papst zusammen Straßenbahn fahren, das ist mehr als ein Gag. Es ist ein wichtiges Zeichen für heute: Aus Feinden können Freunde werden.“

Von der denkwürdigen Figuren-Reise mit der Straßenbahn nehme ich diese Botschaft mit: „Sei tolerant! Rede mit dem anderen über das, was er glaubt und was du glaubst! Keiner hat die Wahrheit gepachtet! Wir können voneinander und miteinander lernen.“

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren