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Wenn ich einmal reich wär... Tevjes Traum
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Wenn ich einmal reich wär... Tevjes Traum

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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„Wenn ich einmal reich wär“, davon träumt der Milchmann Tevje aus einem Roman von Sholem Alejchem. In dem Musical Anatevka singt er es mit dem typischen (gesummt): O je widi widi widi widi widi bum. Anatevka heißt das kleine Schtetl, in dem Tevje gelebt hat, und es gab viele solche Städtchen in Osteuropa. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind diese Schtetl mit ihrer Kultur und ihrer Weisheit durch antisemitische Mächte und Massen vollständig vernichtet worden. Aber zumindest Anatevka und seinem Milchmann Tevje hat das Broadway-Musical einen unsterblichen Namen gegeben. In den kleinen jüdischen Städtchen wie Anatevka waren viele einfache Leute, lebensschlau, gebildet und musikalisch, aber die meisten von ihnen waren arm. Sie konnten sich noch so sehr mühen. Auch wenn sie morgens in aller Frühe aufstanden, den ganzen Tag gearbeitet haben, und sich abends spät erst wieder hinsetzten. Ihr Essen blieb ein mühseliges Brot, an einen reich gedeckten Tisch haben sie sich nur selten gesetzt.

Nur ein mühseliges Brot

Zu diesen armen Leuten gehört auch Tevje, aber Tevje kann sich wenigstens in seinem Lied über seine Armut hinweg träumen: Wenn er reich wäre, würde er den Anderen ein großes Haus vor die Nase setzen. In seinem Hof würden viele Hühner, Gänse und Enten ein Riesen-Spektakel veranstalten: Kikireki, Quak, Quak. Seine Frau würde als „Gnäd’ge Frau“ mit den feinsten Leckereien bedient. Auch die Synagoge hätte schließlich etwas davon, wenn Tevje einmal reich wär. Er singt: „Ich hätte Zeit und könnte endlich zum Beten oft in die Synagoge gehn. Ein Ehrenplatz dort wäre mein schönster Lohn. Mit den Gelehrten diskutiert ich die Bibel so lange bis wir sie versteh‘n!“

Keine Schande, aber auch keine besondere Ehre

Das Schlauste sagt Tevje vielleicht bei der Einleitung seines kleinen Liedes: „Lieber Gott! Ich will mich ja nicht beklagen, aber mit deiner gütigen Hilfe, O Herr, sind wir fast am Verhungern. Ei, du hast viele, viele arme Leute geschaffen, ich sehe natürlich ein, dass es keine Schande ist, arm zu sein, aber eine besondere Ehre ist es auch nicht. Was wäre denn nun daran so furchtbar, wenn ich auch ein kleines Vermögen hätte?“

Wer hatte nicht schon einmal diesen Wunsch?

Ich kann eigentlich nicht anders, als diesen Tevje gern zu mögen, ihn und seinen Traum. Einmal reich sein, ein paar Tage lang, das ist ein schöner Traum, vieles könnte ich mir da vorstellen. Auch ein kleines Vermögen, ohne Sorgen, das wäre schön. Aber Reichtum, das ganze Leben lang, ich weiß nicht, ob ich mir das wirklich wünschen soll, und das hat wohl auch Tevje nicht gemeint.

Freigiebig und frei sein

Tevje weiß, dass Geld abhängig machen kann, und das ist die größte Gefahr beim Geld: Es kann mir die Freiheit rauben. Die Sätze eines anderen Juden in der Bibel sind mir deshalb wichtig geworden. Sie stammen von Paulus (1 Korintherbrief 7,30f):

„Die, die kaufen, sollen so leben als behielten sie nichts. Und die, die nutzen, was die Welt bietet, sollen so leben, als gingen sie nicht in ihr auf. Denn die Welt, so wie sie ist, geht vorüber.“

Frei zu bleiben, mit dem, was mir zur Verfügung steht. Das ist Glück, wie ich es mir vorstelle. Mit allem, was ich habe, so frei umzugehen, dass ich es leicht weitergeben und andere damit glücklich machen kann. Wenn mir das gelingt, kann ich auch weiter mit Tevje davon träumen: Wenn ich einmal reich wär…

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