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Warum vergeht die Zeit immer schneller, je älter man wird?
Kerstin Herrmann/Pixabay

Warum vergeht die Zeit immer schneller, je älter man wird?

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt
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Als Kind und Jugendlicher konnte ich es immer nicht fassen: Die Ferienwochen vergehen wie nichts. Eine Schulwoche dagegen kann sich ziehen wie eine halbe Ewigkeit. Was habe ich manchmal in der Schulstunde eines ungeliebten Faches den Zeiger der Uhr mit Blicken beschworen, er soll sich schneller bewegen! Vergeblich – er schien nur von Ewigkeit zu Ewigkeit wenigstens eine Minute weiterzuspringen.

Nun, das hat sich verändert. Je älter ich werde, desto schneller scheinen Stunden, Tage, Wochen, ganze Jahre nur so dahinzufliegen. Ein kleiner Trost ist: Das geht offensichtlich nicht nur mir so.

Das Zeitgefühl verändert sich mit dem Älterwerden

Warum vergeht die Zeit immer schneller, je älter man wird? Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen darüber, wie sich das Zeitgefühl mit dem Älterwerden verändert. Zwei Altersgruppen, die eine unter 50, die andere um die 70 Jahre alt, sollen bestimmte Ereignisse datieren: In welchem Jahr und Monat war der Reaktorunfall von Tschernobyl? Wann war die letzte große Sonnenfinsternis in Europa zu sehen? In welchem Jahr verunglückte Prinzessin Diana?

Das Ergebnis war eindeutig: Die Leute unter 50 halten die Ereignisse häufig für viel jünger und waren dann überrascht: Was, das ist schon so lange her?! Die Älteren um die 70 meinten oft, die Ereignisse liegen schon viel länger zurück. Ihre innere Uhr lässt die Zeit schneller verstreichen. Deshalb sind für sie gefühlt viel mehr Jahre vergangen als tatsächlich. So interpretieren es die Zeitforscher, die dieses Experiment unternommen haben.

Zeit ist wie ein Fluss

Zeit ist wie ein Fluss. Als junger Mensch läuft man mit Leichtigkeit schneller, als der Fluss fließt. Die Zeit scheint langsamer zu vergehen. Ob ich zum Beispiel 13 bin oder 18, das  macht einen riesigen Unterschied.

Im mittleren Alter läuft man mit der Flussgeschwindigkeit auf gleicher Höhe. Je älter man wird, desto langsamer wird man, desto schneller strömt der Fluss an einem vorbei.

Ewige Gleichzeitigkeit

Was hilft mir das, um nicht verzweifelt, sondern zufrieden mit der Zeit zu gehen, ob sie nun schneller oder langsamer vergeht? In der Bibel sagt jemand über Gott: „Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist.“ (Psalm 90, 4). Der Kirchenvater Augustin hat das so gedeutet: Bei Gott ist Zeit kein Nacheinander, das vergeht. Bei Gott herrscht ewige Gleichzeitigkeit.

Jeder Zeitpunkt meines Lebens ist in Gott gegründet

Ich verstehe das so: Jeder Augenblick ist bei Gott ewig, keine Sekunde geht bei ihm verloren. Gestern, heute, morgen werden nicht einfach ins Nichts weggespült. Jeder Zeitpunkt meines Lebens ist in Gott gegründet und bleibt damit bedeutend.

Gott ist mein zeitloses Heute. Kann sein, dass die Zeit immer schneller vergeht, je älter ich werde. Aber jede einzelne Stunde, jeder Augenblick bleibt einzigartig und ist es damit wert, ausgekostet und gelebt zu werden.

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