Verkriechen
Es gibt Tage, an denen möchte ich mich verkriechen. Im Bett bleiben oder wenigstens in der Küche, im Bademantel oder in eine Decke gehüllt. Am besten die Decke über den Kopf ziehen. Wie in einer Höhle aus Kindertagen, ich bin einfach nicht da. Oft geht an solchen Tagen trübes Wetter einher mit trüben Gedanken. Der Schriftsteller Andreas Steinhöfel nennt das „das graue Gefühl“. Ich möchte nicht vor die Tür, auch wenn ich zur Arbeit muss. Ich möchte niemanden sehen, mit keinem sprechen. Ich habe meine eigene Art mich zu verkriechen. Für solche Tage habe ich bestimmte Kleidungsstücke. Schickes und Farbiges würde mich nicht rausputzen, sondern runterputzen. Es sind langweilige Hosen, ein fades Hemd und ein nichtsagendes Sakko. Sie bedeuten für mich Schutz. Anderen sollen sie das Signal geben: Schau mich nicht an. Ich bin uninteressant. Schau durch mich hindurch und lass mich. Es sind Tage, an denen ich nicht wirklich weiß, wie es mir geht. Ich weiß nur: Es geht mir nicht gut. Da hilft mir niemand mit Ansprache. Die höfliche Frage: Geht es dir nicht gut? ist genau die falsche. Ich will unsichtbar sein. Natürlich sieht man es mir an, dass ich einen schlechten Tag habe. Meine Mimik, meine Haltung kann ich nicht verbergen. Meine Einsilbigkeit spricht Bände. Aber es hilft der Gedanke, man könnte es mir nicht ansehen. Und ich wäre wirklich nicht sichtbar. Solche Tage gehen vorbei. Das weiß ich ja zum Glück. Manchmal hilft ein guter Nachtschlaf. Manchmal Tränen. Über solche Tage sprechen kann ich meistens erst, wenn sie vorüber sind. Mittendrin bin ich zu verletzlich. Unsichtbar sein. Sich verstecken wollen. Ich überstehe solche Tage mit dem Psalmvers: Ich gehe oder liege so bist du um mich und siehst alle meine Wege ( Ps.139, 3). Ich glaube fest, dass Gott mich in Ruhe lässt, schweigend bei mir bleibt und das aushält.
