Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Übernächstenliebe
Pixabay/Aamir Mohd Khan

Übernächstenliebe

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
Beitrag anhören:

Manche Worte klingen besonders in mir nach. Wie ein attraktiver Duft entfalten sie in mir ihre anregende Wirkung. „Übernächstenliebe“ ist so ein besonderes Wort. Die Übernächsten lieben.

Nächstenliebe weiter gedacht

Das ist eine innere Haltung, die versucht, mit der Nächstenliebe nicht zu kurz zu greifen. Sie hat auch die im Blick, die zeitlich oder räumlich weit weg zu sein scheinen. Sie will nicht nur nahe Nächste lieben, sondern auch die Übernächsten.

Den Übernächsten im Blick haben

Das Wort war ursprünglich nicht positiv gemeint. Es sollte das Willkommen für Geflüchtete in Deutschland in Frage stellen. Im Leitartikel der Stuttgarter Nachrichten war im September 2015 zu lesen: „Liebe deinen Nächsten, heißt es in der Bibel, aber der Deutsche hebt seine Gefühle gern für den Übernächsten auf.“

Wie weit reicht der Kreis der Nächsten eigentlich?

Ich glaube dagegen, Nächstenliebe hat den Übernächsten schon immer im Blick. "Du sollst Gott lieben und Deinen Nächsten wie dich selbst" (3. Mose 19,18) Klar, da liegt die Frage nahe, wie weit der Kreis der Nächsten eigentlich reicht. Sie alle zu lieben, das klingt ja ziemlich anstrengend.

Schon zurzeit Jesu haben die Gelehrten diskutiert, wer der Nächste ist. Auch mit Jesus. Seine Antwort erzählt Jesus als Gleichnis:

Der barmherzige Samariter

Ein Mensch wird von Räubern überfallen und ausgeraubt. Die lassen ihn halb tot liegen. Zwei, die sicher als seine Nächsten galten, sehen den Verletzten und gehen achtlos vorbei. Erst ein Fremder hat Mitleid. Dabei hätte der gute Gründe, den Hilfebedürftigen als einen Übernächsten zu betrachten. Doch der Fremde geht zum Verletzten, verbindet seine Wunden und sorgt dafür, dass er weiter gepflegt wird und gesund werden kann. (Lukas 10, 25-37)

"Dann geh und mach es genauso"

Der Diskussionspartner von Jesus hat das Gleichnis verstanden. Er sagt: „Der Fremde, der Mitleid mit dem Hilfebedürftigen hatte und sich um ihn gekümmert hat, der ist ihm als Nächster und Mitmensch begegnet“. „Dann geh und mach es genauso“, fordert ihn Jesus auf.

Übernächstenliebe hebt zeitliche und räumliche Grenzen auf

Übernächstenliebe hebt zeitliche und räumliche Grenzen auf. Sie ist die Bereitschaft, Opfer auch für die zu bringen, die von Deutschland weit entfernt leben. Sie denkt auch an die zeitlich Übernächsten, die Generationen, die noch nicht geboren sind und denen wir die Schöpfung einmal übergeben müssen.

Übernächstenliebe, ich mag das Wort.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren