Ihr Suchbegriff
Mit beiden Ohren hören
Bildquelle pixabay

Mit beiden Ohren hören

Heidrun Dörken
Ein Beitrag von Heidrun Dörken, Evangelische Pfarrerin, Senderbeauftragte für den Hessischen Rundfunk

Wie tut das gut, wenn einer da ist, der zuhört. Wirklich zuhört und nicht nur mit einem halben Ohr ein Stichwort aufschnappt, um dann gleich wieder von sich selbst zu reden. Zuhören tut gut. Laut biblischer Überlieferung hat Jesus oft aufgefordert: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“ Und er hat auch festgestellt: „Sie haben Ohren und hören nicht.“ So, als würden viele höchstens mit einem Ohr hören, nicht aber mit beiden.

Der Glaube kommt aus dem Hören, das ist eine christliche Grunderfahrung. Wie aber soll das gehen, im Sinne von Jesus zwei hörende Ohren zu haben? Dazu gibt es einen bemerkenswerten Rat. Er stammt von einem großen indischen König, er hieß Ashoka und lebte im dritten Jahrhundert vor Christus.
Dieser König war Anhänger der Lehre Buddhas. Er soll viel dazu beigetragen haben, dass der Buddhismus eine Weltreligion wurde. Ashoka gab seinen Untertanen das folgende Gebot. Es ist in Fels gemeißelt, deshalb kann man es heute noch nachlesen. Man höre und staune:

Andere Religionsgemeinschaften sollen bei jeder Gelegenheit geehrt werden. Wenn man so handelt, fördert man seine eigene Religion und erweist der anderen Religion Gutes (…) Denn wer immer die eigene Religion preist und die anderen tadelt, (…), der schädigt (…) seine eigene Religionsgemeinschaft umso mehr. Eintracht ist darum gut, dass einer des anderen religiöse Lehre höre und gern höre.

Dieser weise König sagte also: Toleranz fördert die Eintracht. Sie besteht darin, mit zwei Ohren zu hören: Nämlich mit einem Ohr auf die Lehre der eigenen Glaubensgemeinschaft, mit dem anderen aber auf die der anderen. Und er sagt: So fördert man seinen eigenen Glauben am besten.

Dieses Hören mit zwei Ohren läuft also nicht auf einen religiösen Mischmasch hinaus. Keiner soll deswegen seinen eigenen Glauben nicht für wichtig und wahr halten. Zuzuhören, was die anderen sagen – das vertieft den eigenen Glauben. Allerdings: Man soll auf die Lehre der anderen gerne hören! Also nicht mit Verachtung oder als Besserwisser.

Leider treten bis heute auch religiöse Menschen genauso auf, präsentieren sich also einohrig. Und so prallen sie dann aufeinander, oft voller Hass. Kaum gegenseitiges Hinhören. Das Verteufeln liegt näher. Zum Teil mit furchtbaren Folgen. Vermutlich steckt dahinter Angst. Die Angst, den eigenen Glauben zu verlieren. Jesus hat solch ängstlichen Glauben schlicht und einfach Kleinglauben genannt. Er macht eng, nicht weit, wie der hörende Glaube.

Wenn beide Ohren geöffnet sind, dann können religiöse und alltägliche Gespräche tief und wohltuend werden. Wenn ich das übe, merke ich, wie viel mehr ich vom anderen mitbekomme.
Oft reicht schon, wenn ich drei Sekunden nach dem Hören warte, ehe ich selbst etwas sage. Erst einmal wiedergebe, was ich von meinem Gegenüber verstanden habe.
Natürlich lösen sich so nicht alle Probleme und Konflikte zwischen Menschen und Religionen. Aber es ist ein Anfang. So gewinnt man mehr Verständnis füreinander. Ganz bestimmt aber Respekt. Und manchmal sogar Freunde.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren