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Kraft der Erinnerung
Bild: Alexandra Koch/Pixabay

Kraft der Erinnerung

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Pfarrerin, Leitung Evangelisches Forum Kassel
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Durch den Shutdown im Frühjahr und die Kontaktbeschränkungen durch Corona habe ich meine Kinder sehr lange nicht gesehen. Nach dem gemeinsamen Weihnachtsfest sind wir Ostern zuhause geblieben. Erst im Juni haben wir uns wieder getroffen. Natürlich hatten wir in dieser Zeit Kontakt miteinander. Wir haben telefoniert und uns Nachrichten geschickt. Auch mal handgeschriebene Briefe hin und her. Aber alles nur vermittelt. Zum Glück gibt es viele technische Möglichkeiten, miteinander zu sprechen, sich dabei zu sehen, sich Grüße zu schicken. Aber es ist doch etwas anderes sich ganz direkt und lebendig gegenüberzustehen, sich in den Arm nehmen zu können, den anderen zu spüren. Die Wärme und die Schwingungen, die von Mensch zu Mensch entstehen, werden über den Bildschirm nicht genauso weitergegeben. Es ist eine andere Art von Kontakt.

Das hat mich zu der Frage gebracht, wie das eigentlich ist mit der Beziehung zu Gott. Das ist ja auch keine direkte, unmittelbare Beziehung von Angesicht zu Angesicht. Und doch ist mein Gottvertrauen ganz lebendig in mir. Es erfüllt mich mit Hoffnung und gibt mir Halt. Gerade auch in schwierigen Lebensphasen. Das ist so, weil dieses Vertrauen gespeist ist aus vielen Erfahrungen, die ich im Lauf meines Lebens mit Gott, mit dem Glauben gemacht habe. Die Geburt meiner Kinder war so eine Glaubenserfahrung. Ich wurde so reich beschenkt. Und in manchen schwierigen Situationen wurde ich bewahrt. So etwas prägt sich ein. Das werde ich niemals vergessen. Immer wieder kann ich daran zurückdenken und mich von diesen Erinnerungen neu beleben lassen.

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat, so heißt es im Psalm 103. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.

Nicht vergessen, sich dankbar erinnern, - in Gedanken Bilder und Situationen wachrufen, das macht Beziehungen stark und hält sie lebendig. Das gilt nicht nur für die Beziehung zu Gott. Das gilt auch für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen. Sich erinnern an den Spaziergang mit dem Enkelkind in der Sonne, an gute Gespräche bei einem Glas Wein mit Freunden, an lautes herzliches Lachen, an die Hand auf der Schulter, die Trost gibt. Das ist gefühlt schon so als wären sie bei uns.

Erinnerung hat eine große Kraft. Sie ergänzt, was bei einem Gespräch über den Bildschirm fehlt: die Wärme eines lebendigen Menschen. Und die brauchen wir alle spürbar in unserem Leben. Erinnerung ruft diese Wärme in uns wach. Wir können sie anregen mit alten Fotos, dem selbstgemalten Bild des Enkels an der Küchentür und vielen kleinen Erinnerungsstücken. Das hilft uns, Zeiten des Abstands geduldig zu überstehen, wie lange sie auch dauern mögen.

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