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Gute Nachbarschaft
Bildquelle: Jose Antonio Alba/Pixabay

Gute Nachbarschaft

Helmut Wöllenstein
Ein Beitrag von Helmut Wöllenstein, Evangelischer Propst i. R., Sprengel Marburg
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„Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, sind die schlimmste Armut“. Mutter Theresa hat das gesagt. Sie ist heute am 5. September vor 22 Jahren gestorben. Viele kennen sie noch, wie sie sich in Indien um die Armen gekümmert hat. Ich bin erstaunt, dass sie Einsamkeit als schlimmste Armut bezeichnet. Damit sieht sie auch uns in den reichen Ländern. Viele leiden darunter, dass sie keine Menschenseele haben, von morgens bis abends mit niemandem sprechen.Eine Untersuchung nennt Gründe: Es gibt immer mehr Singlehaushalte bei uns; Oder immer mehr Leute leben in großen Städten. Was kann man tun gegen diese schlimmste Armut? Der größte Reichtum ist sicher die Familie: Zusammen leben, kochen, essen, erzählen, sich unterstützen. Und weil die Familie nie alles sein kann: Freundinnen und Freunde. Die sucht man sich aus, teilt Interessen, und trotzdem sind sie ein Geschenk. Dabei kommt es nicht auf die Zahl an, sondern auf die Qualität. Dass man reden kann, und sich auch ohne Worte versteht. Und gute Nachbarn, die gehören für mich auch dazu, zu diesem Reichtum. Egal ob im Dorf oder in der Stadt, neben mir wohnen Leute. Ob aus dem Nebeneinander ein Miteinander wird, lässt sich nicht erzwingen, klar. Es gibt Nachbarn, die wollen für sich sein. Und es gibt Nachbarn, da will ich für mich sein. Man sagt sich Guten Tag und das war`s. Aber dann gibt es auch dieses schöne, selbstverständliche, oder gar nicht selbstverständliche Klima. Die Nachbarin sagt: „Nehmt Euch doch vom Salat aus unserem Garten, wir haben zu viel gepflanzt, es wäre schade drum“. Oder da kommt eine Frau, die wir nicht kennen, zwei Häuser weiter wohnt sie. Wir grillen machen ein kleines Feuer im Garten, was man eigentlich nicht darf. Sie kommt um zu schauen, was das da für ein Rauch ist, aber sie schimpft nicht. Sie wollte nur mal nachsehen, dass nichts brennt. Wie nett von ihr. Danke. Natürlich gibt die Post das Päckchen bei uns ab, wenn die Nachbarn nicht da sind. Und wir bringen es zu ihnen. Und nächstes Mal umgekehrt. Man muss sich nicht lieben. Aber Kontakt halten, sich interessieren, fragen, hinschauen - das ist schon ein kleiner Reichtum. Gute Nachbarn sind für uns so wichtig wie das tägliche Brot, meint Martin Luther. Er erklärt im kleinen Katechismus, was tägliches Brot heißt: „Essen Trinken, Kleider Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut“, alles, was viele sofort als Reichtum sehen. Dann aber auch „gute Eheleute, Kinder, Freunde, und „getreue Nachbarn“, Menschen die wir brauchen, um vor der schlimmsten Armut geschützt zu sein: Vor der Einsamkeit.

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