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Der Koch mit der Menütafel
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Der Koch mit der Menütafel

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim
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Herr Schneider räumt das Haus seiner Eltern auf. Seine Mutter und sein Vater sind im vergangenen Jahr verstorben. Mit seinen Geschwistern hat Herr Schneider vereinbart: Jetzt soll das Haus verkauft werden. Niemand von ihnen wird in das Haus einziehen. Herr Schneider  soll sich darum kümmern, was mit den Möbeln geschieht.  Er überlegt, was er von den Gegenständen seiner Eltern mit in sein eigenes Haus nimmt. Der große Schrank, der in der Diele stand, den Sekretär, auf dem seine Mutter viele Briefe geschrieben hat? Er entscheidet sich für den Schrank, den Sekretär und für den Koch. Der Koch ist eine kniehohe Figur, die eine Kochmütze trägt und vor sich ein Schild trägt, auf das man mit Kreide schreiben kann. Darauf hatte die Mutter von Herrn Schneider bei Einladungen immer das Essen aufgeschrieben. Zum Beispiel: „Heute gibt es Kartoffelgratin mit Blumenkohl. Mit einer Soße, die von Herzen kommt.“ Oft stand diese Figur am Fußende der Außentreppe, um die Gäste einzuladen.

Herr Schneider hat diese Figur jetzt mit in seine Familie gebracht. Seine Kinder, die Enkel, sagen begeistert: „Jetzt haben wir eine Erinnerung, wir haben was von der Großmutti hier!“

Im biblischen Buch Ester geht es um eine solche Erinnerung, die Generationen verbindet. Die Geschichte gehört zum jüdischen Purimfest. Das Fest wird mit den Worten begründet, die Tage nicht zu vergessen, sondern zu halten bei Kindeskindern und allen Geschlechtern.

Die Kochfigur von Frau Schneider verbindet die Generationen. Mit ihm erinnern sich die Kinder an ihre Großmutter und das, was ihr wichtig war: andere einzuladen, gemeinsam zu essen und zu trinken und sich darüber zu freuen, wenn man Feste zusammen feiern kann. Ich finde es wichtig, solche Erinnerungen in der Familie weiterzugeben. Sie verbinden uns mit denen, die schon gegangen sind und lassen sie gleichzeitig lebendig werden. Oft helfen Gegenstände, die man seit Kindheitstagen kennt, mit denen man Geschichten verbindet.

So entsteht eine Verknüpfung, ein unsichtbares Band, das die Generationen verbindet. Für Herrn Schneider ist klar: Der Koch mit der Tafel in der Hand erinnert ihn an viele Feste, die er im Haus seiner Eltern gefeiert hat. Es waren Geburtstage mit seinen Freunden, an denen die Haustür offen stand, es waren viele Feste, die seine Mutter zu allen möglichen Anlässen ausgerichtet hat. Jetzt steht der Koch in der Küche der Familie Schneider. Jetzt werden hier Gäste eingeladen und sie können lesen, was es zu essen gibt.

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