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Weltverbesserin
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Weltverbesserin

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad

Meine Freundin will die Welt verbessern. Sie ist dabei ganz fröhlich und behutsam. Ihr liegt daran, dass sich etwas ändert. Es soll nicht alles so bleiben, wie es ist. Sie hat eine Vision davon, wie es einmal sein könnte. Sie sagt: „Es muss doch möglich sein, dass Menschen friedlich miteinander leben und trotz ihrer Unterschiede miteinander klarkommen und dass sie ein klein bisschen achtsamer mit der Umwelt umgehen“, So weit meine Freundin. Und ihre Fröhlichkeit steckt mich mehr an, als wenn sie ständig meckern würde über das, was sich noch nicht geändert hat.

Wie fröhlich Erwin Piscator war, weiß ich leider nicht. Er wollte auch die Welt verbessern. Gestern wurde eine Skulptur für Erwin Piscator anlässlich seines 50. Todestages eingeweiht. Aus Erwin Piscator wurde ein großer Theatermann. Und er war eben Ihm war es wichtig, dass die Menschen zunächst erkennen, wer sie sind und in welchen Verhältnissen sie leben. Er sagte wörtlich: „Mein Interesse am Theater war, das Theater zu einer moralischen Anstalt zu machen, und dazu beizutragen, dass der Mensch im Theater sich erkenne und aus dem Theater seine Entwicklungsmöglichkeiten ziehe."

Mit dieser Absicht schuf Piscator das politische Theater. Vor den Nazis floh er nach Russland. Vor Stalin floh er nach Amerika. Am Ende kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm die Intendanz an der Berliner Volksbühne. In Deutschland war er immer umstritten, weil er Kommunist war. Auch seine Theorien über das Theater waren und sind umstritten, wurden heftig diskutiert: Nicht jeder findet es gut, dass Zuschauer aktiv werden sollen und sich nicht nur im Theater von einem guten Stück unterhalten lassen.

Ich weiß nicht, ob Erwin Piscator hat einen Gedanken in die Tat umgesetzt, der im Grunde sehr fromm ist: Ihm lag daran, dass Menschen Grenzen überschreiten – ihre eigenen und die in der Gesellschaft. Das kann man nur wollen, wenn man Hoffnung hat. Jemand, der für sich und andere hofft, findet sich mit den eisernen Gesetzen und den Zwangsläufigkeiten dieser Welt nicht ab. Er blendet die Realitäten des Lebens nicht aus, aber er hält es für möglich, dass sie sich zum Besseren wenden: dass Menschen ihren Interessen nachgehen, ohne sich die Köpfe einzuschlagen; dass für alle genug zu essen da ist; dass wir die natürlichen Lebensgrundlagen nicht zerstören.

Erwin Piscator und meine Freundin erinnern mich daran, dass ich vor Mauern nicht halt machen muss. Und Gott traut mir das auch zu. Er weiß, wie das geht, denn er hat selbst eine Grenze überschritten, als er einer von uns wurde.

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