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Schweigen ist keine Option
GettyImages/Chainorong Prasertthai

Schweigen ist keine Option

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
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Gute Bilanz zum heutigen Weltkrebstag: Immer mehr Menschen überleben die Krankheit und sind danach gesund.
Trotzdem: mit Krebskranken zu reden, vielleicht sogar über ihren möglichen Tod, das ist immer noch schwer.
Wie Kranke das Schweigen um sie herum erleben, erzählt Eric Emmanuel Schmitt in seinem Buch „Oscar und die Dame in Rosa“.
Oskar, zehn Jahre, ist unheilbar an Krebs erkrankt, über seine Elternsagt er: „Sie trauen sich nicht mehr mit mir zu reden. Und je weniger sie sich trauen, umso mehr komm ich mir wie ein Monster vor.“
Die im Krankenhaus erlebt Oscar so: „Wenn man im Krankenhaus sterben sagt, hört keiner zu. … alle schnappen sie nach Luft und wechseln das Thema… so wie früher lacht keiner mehr mit mir. Bloß Oma Rosa hat sich nicht verändert.“
Oma Rosa ist eine der sogenannten „Damen in Rosa“. Sie besuchen im Krankenhaus ehrenamtlich Kinder. Oma Rosa erklärt Oscar, warum es so heilsam ist, das Schweigen zu überwinden:
Sie sagt: „Gedanken, die man nicht ausspricht, machen schwer. Das sind Gedanken, die sich festhaken, dich belasten und dich erstarren lassen, Gedanken, die den Platz wegnehmen für neue Ideen und in dir verfaulen.“

Als Schulseelsorger hab ich das erlebt: Die Mutter einer Schülerin bittet mich, sie mit ihrem krebskranken Mann und den beiden Töchtern zuhause zu besuchen. Sie wollen über die Krankheit ihres Mannes reden. Sie sagt: „Vielleicht ist es irgendwann zu spät und wir finden allein einfach keinen Anfang.“ Leicht war das nicht. Aber alle waren da: Der Patient auf dem Sofa, die Familie drum herum. Nach einer Weile hab ich zum Mann und Vater gesagt. „Ich bin heute hergekommen, weil Sie sehr krank sind. Niemand weiß es, aber nach dem, was die Ärzte sagen, könnten Sie möglichweise bald sterben.“
Und dann haben alle darüber geredet, so gut sie konnten.
Heute, im Rückblick sagen sie: es war gut so.

Und der kleine Oscar? Er ist Oma Rosas Rat gefolgt und hat Gott seine Gedanken in Briefen anvertraut. Die Familie der Schülerin hat sich bei einem Seelsorger Hilfe geholt. Auf ihre Art haben beide Vertrauen gefasst, das Schweigen überwunden und ihren Blick wieder auf das Leben gerichtet, auf dieses und auf das ewige.

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