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Natürlich die Autofahrer
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Natürlich die Autofahrer

Dr. Peter-Felix Ruelius
Ein Beitrag von Dr. Peter-Felix Ruelius, Leiter ZB Christliche Unternehmenskultur & Ethik bei der BBT-Gruppe, Koblenz
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Auf dem Weg zur Arbeit erlebe ich immer wieder die ganze Bandbreite: Ungeduld, Unvernunft und fehlende Rücksichtnahme im Straßenverkehr. Und natürlich sind immer die anderen schuld. Die drängeln und nerven, die fahren leichtsinnig oder blockieren alles. Klar.
Bertolt Brecht, so meint man, müsste das noch anders erlebt haben. Immerhin ist der Dichter und Schriftsteller bereits 1956 verstorben: Damals, vor mehr als sechzig Jahren muss das Autofahren doch die reine Freude gewesen sein. Trotzdem: Bertolt Brecht analysiert überaus klar zwei Typen von Autofahrern. Der eine, so schreibt er, kennt die Verkehrsregeln gut, weiß, wie er sein Auto gut und schnell durch den Verkehr bringt. Der andere, so sagt Brecht, geht anders vor. Er fühlt sich gewissermaßen als ein Teilchen eines lebendigen Systems. „Er nimmt nicht seine Rechte wahr und tut sich nicht persönlich besonders hervor. Er fährt im Geist mit dem Wagen vor ihm und dem Wagen hinter ihm, mit einem ständigen Vergnügen an dem Vorwärtskommen aller Wägen und der Fußgänger dazu.“[1] Und so wird das Autofahren bei Bertolt Brecht zur Metapher für das Zusammenleben überhaupt.
Worum es geht, das beschreibt der Apostel Paulus sehr viel früher als Bertolt Brecht im Römerbrief der Bibel so: „Seid untereinander eines Sinnes; strebt nicht hoch hinaus, sondern bleibt demütig! Haltet euch selbst nicht für klug! (…) Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden! (Röm 12, 16.18)
Aber wieder zurück zu Brecht: Zwei gute Hinweise gibt er dem Autofahrer.
Der erste ist ganz praktisch: Nicht nur im eigenen Wagen fahren, sondern im Geist im Wagen vor mir und im Wagen hinter mir mitfahren – die Perspektive der anderen Fahrer mitdenken und mich in sie hineinversetzen.
Der zweite meint eine Haltung: das ständige Vergnügen am Vorwärtskommen aller Wägen – und der Fußgänger dazu. Mich freuen, wenn es insgesamt funktioniert und ich nicht der einzige bin, der vorankommt.
Ich habe heute Morgen wahrscheinlich wieder Gelegenheit, das einzuüben. Im morgendlichen Berufsverkehr, der damit auch ein bisschen Lebensschule sein kann.

[1] Bertolt Brecht, Geschichten vom Herrn Keuner, Frankfurt am Main. Suhrkamp Verlag 2006, S. 128.

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