Kerze und Foto
Vor ein paar Wochen habe ich die große Kathedrale von Orléans in Frankreich besucht. Und wie so oft, wenn ich in einer Kirche bin, wollte ich dort eine Kerze anzünden. Das mache ich sehr gerne. Da habe ich eine junge Frau beobachtet; sie war um die zwanzig Jahre alt. Sie hat auch vor der alten Marienfigur dieser Kirche eine Kerze angesteckt, aber nicht nur das: Als die Kerze am Brennen war und auf dem Kerzenständer stand, hat sie mit dem Handy Fotos gemacht. Eines nur mit der brennenden Kerze, ein anderes mit sich selbst und der Kerze. Danach habe ich gesehen, wie sie diese Fotos gleich verschickt hat.
Beim Entzünden der Kerze denke ich an dich
Zuerst war ich ganz schön verwundert. Das hatte ich noch nie gesehen. Natürlich weiß ich: Man macht heute von allem und jedem sofort Fotos und teilt sie in den sozialen Netzwerken. Aber auch vom Kerzenanzünden in der Kirche? Ich habe mich gefragt: Ist das nicht etwas ganz Persönliches, das man lieber für sich behält? Aber je länger ich darüber nachgedacht habe, desto klarer ist mir geworden: Ich zünde meine Kerze in einer Kirche ja meistens auch für jemanden an, an den ich gerade besonders denke. Zum Beispiel für die Studentin, die bald eine schwere Prüfung schreibt oder die Frau, die eine schwere Operation vor sich hat. Meistens spreche ich noch ein kleines Gebet dazu. Manchmal erzähle ich auch hinterher der Person davon: „Ich habe für dich eine Kerze angezündet“. Für mich heißt das: „Ich denke an dich, ich wünsche dir Kraft, du bist nicht allein.“ Jetzt denke ich mir: Das kann ich auch mit einem Foto sagen. Das hat sogar Vorteile: Die Botschaft kommt direkt an und zeigt sogar den Ort, an dem die Kerze steht.
Das Licht der Kerze an den Adressaten schicken
Vielleicht ist das die moderne Form, wie man eine Kerze heute in der Kirche anzündet. Ich glaube: Das probiere ich auch einmal aus!
