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"Jetzt hilft nur beten." - Aber wie?

"Jetzt hilft nur beten." - Aber wie?

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt

„Da hilft jetzt nur noch beten.“ Wer das sagt, der ist mit seinem Latein am Ende. Der sieht wirklich keine Lösung mehr. Eigentlich hat er auch keine Hoffnung mehr.

Beten ist für viele wie ein letzter Strohhalm – auch bei ganz kleinen Problemen im Alltag. Ob Beten wirklich helfen kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Sicher haben die meisten schon einmal spontan gebetet, auch um Kleinigkeiten. Gerade, wenn man Angst hat, zu versagen, dass es peinlich werden könnte oder man sich einfach in die Enge getrieben fühlt.

Als Kind habe ich gebetet „Lieber Gott, mach…., dass das noch gut geht“,. Eigentlich bete ich heute immer noch so: „Gott, mach….!“. Ob Beten wirklich helfen kann? Ein kleiner Zweifel bleibt doch immer, ob mein Gebet Gott wirklich dazu bringt, in mein Leben einzugreifen. Im Grunde meines Herzen möchte ich ja mein Leben selbst führen können – unabhängig von anderen.

In den letzten Monaten war ich häufig in Kontakt mit Menschen, die hier in Deutschland in wirklich ausweglosen Situationen sind. Da hat der Satz für mich einen anderen Klang bekommen: Da hilft jetzt nur noch beten! Bei Flüchtlingen, die auf Grund des europäischen Flüchtlingsrechts hier nicht bleiben können. Sie müssen in das europäische Land zurück, in dem sie erstmalig in die EU eingereist sind. Oder sie haben nur eine Arbeitserlaubnis in Italien, weil sie dort ihren Flüchtlingsstatus erhalten haben.

Wenn ich mit ihnen spreche, spüre ich ihre Angst. Ich spüre auch meine eigene Ohnmacht. Ich kann ihnen Kleidung und Essen anbieten, vielleicht sogar einen Schlafplatz für einige Tage besorgen, aber eine Zukunft kann ich ihnen in Deutschland nicht ermöglichen. Unser Asylrecht zwingt sie dazu, in ihre Herkunftsländer zurückzureisen, oder in das Land, wo sie ihren Asylantrag stellen müssen.

Immer wieder musste ich den schrecklichen Satz aussprechen: „Jetzt kann ich nichts mehr für Sie tun!“ Dann brach das Gespräch ab. Es wurde ganz still zwischen uns. Irgendwann habe ich den Mut gefasst und gesagt: „Aber wir können gemeinsam beten…“ Seitdem habe ich oft gebetet. Ich für diese Menschen auf der Flucht und manchmal auch sie für mich, die Heimat und Sicherheit hat.

Gemeinsam haben wir unsere Ratlosigkeit und Hilflosigkeit ausgesprochen: „Lieber Gott mach…..“ In diesen Momenten ging es nicht mehr allein um die Frage, was Gott machen kann und was nicht. Sondern wir haben unsere Angst und Ohnmacht in Gottes Blick gerückt und das Schicksal eines Menschen. So als würde eine einzelne Akte aus einem großen Stapel herausgezogen und ganz oben drauf gelegt. Das Gebet entlastet uns beide. Und plötzlich ist ein Raum entstanden, in dem wir uns gegenseitig als Menschen spüren, die sich Nähe geben können. Auch dabei hilft Beten!

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