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Eine Meile mehr
Felix Mittermeier/Pixabay

Eine Meile mehr

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad
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In den Sommerferien waren wir mit dem Rad in Italien unterwegs. Nach einer steilen Bergetappe und einer rasanten Abfahrt kamen wir in ein weit verzweigtes Flussgebiet. Unsere Karte war zu ungenau, und das Navi hatte Schwierigkeiten uns zu orten.

So fanden wir keinen Übergang über den Fluss, den wir mit den Fahrrädern hätten passieren können. Alle Straßen waren für Fahrräder gesperrt. Es war heiß, knapp 40 Grad, meine Kraft schon eher am Ende. Ich war schlecht gelaunt, „so eine blöde Strecke“ - obwohl ich die Etappe selbst geplant hatte.

Auf einmal kam hinter uns ein älterer Mann auf einem Mountainbike angefahren. Er hatte bemerkt, dass wir nicht mehr weiter wussten. „Ich zeig euch den Weg“, sagte er auf Englisch. „Ich fahre vor und ihr fahrt hinterher. Aber das dauert mindestens 45 Minuten, bis ihr aus diesem Flussgebiet wieder draußen seid. Alles klar? Seid ihr bereit?“

Wir schauten uns an: Will der Geld dafür? Warum macht der das? Aber bevor wir ablehnen konnten oder argwöhnisch diskutieren, war der Mann schon losgefahren und wir hinterher.

„Wenn dich einer nötigt eine Meile mitzugehen, dann geh mit ihm zwei!“ (Matthäus 5,41)

Wir haben den Mann nicht genötigt, uns den Weg zu zeigen und 15 Kilometer vor uns herzufahren. Er hat sich einfach angeboten. Er war unsere Rettung.

Immer wieder habe ich gedacht: wie freundlich von ihm, uns seine Zeit und seine Kraft zu schenken. Wie aufmerksam, dass er bemerkt hat, wie orientierungslos wir sind. Als wir das Flusstal überquert hatten, wussten wir wieder, wo wir waren. Er winkte noch kurz, wir riefen ein „mille grazie“ hinterher und schon war er weg.

„Wenn dich einer nötigt eine Meile mitzugehen, dann geh mit ihm zwei!“

Jesus sagt das zu seinen Jüngern auf dem Berg oberhalb vom See Genezareth in seiner Bergpredigt. Damals stand das Gebiet um den See Genezareth unter römischer Herrschaft. Ein römischer Beamter oder einer aus der Armee hatte das Recht irgendjemandem aus der jüdischen Bevölkerung zu befehlen, ihn eine Meile zu begleiten.

Das war nützlich für den Römer: Der andere musste seine Lasten tragen oder passte auf, dass ihm auf dem Weg nichts passierte. Eine Meile: Das sind ungefähr 1 ½  Kilometer. Zwei Meilen: Das sind dann schon mehr als drei. Dafür brauche ich mindestens eine dreiviertel Stunde.

Ich glaube, Jesus empfiehlt, zwei freiwillige Meilen zu gehen statt einer Pflichtmeile. Wer mehr tut als gefordert, reagiert nicht auf Befehle, sondern entscheidet selbst, was zu tun ist.

Jesus will uns mit diesem Satz herausfordern: Weil Gottes Liebe grenzenlos ist, kann ich diese Liebe weiterschenken. mit meiner Zeit, mit meiner Kraft, mit meiner Geduld, mit dem, was ich bin und habe. So wie der Mann in Italien, der uns so unverhofft den Weg gezeigt hat. Einfach so.

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