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Eine halbe Million Kirchenaustritte – warum noch Kirche?
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Eine halbe Million Kirchenaustritte – warum noch Kirche?

Verena Maria Kitz
Ein Beitrag von Verena Maria Kitz, Katholische Pastoralreferentin in St. Michael, Zentrum für Trauerseelsorge, Frankfurt
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Er hat ziemlich verhalten von seinem Kirchenaustritt erzählt, unser Freund Christian.  Bei aller Kritik, die er schon früher an der katholischen Kirche hatte – sie war ihm trotzdem immer wichtig. Dann ist Christians Ehe kaputtgegangen, er hat einen unehelichen Sohn bekommen. Beides zentral für sein Leben. „Aber für die  katholische Kirche bin ich seitdem falsch“, hat er gesagt, „Und dann noch die ganze Sache mit dem Missbrauch! Wenn nicht jetzt, wann dann? hab ich dann gedacht – und bin aus der Kirche ausgetreten.“ 

Wenn nicht jetzt, wann dann? Wie Christian haben das anscheinend viele gedacht: Fast eine halbe Million Menschen sind im letzten Jahr aus den beiden großen Kirchen ausgetreten. Ich kann nur über die katholische Kirche sprechen,  aber da fühlen viele sich offenbar allein gelassen, ausgegrenzt oder missachtet. Oder spüren: Ohne Kirche komme ich auch gut klar. 

Mich treibt das ganz schön um und ich frage mich auch manchmal: Wenn nicht jetzt, wann dann? Allerspätestens seit dem Missbrauchsskandal weiß ich: Diese Verbrechen müssen geahndet und verhindert werden – und die Kirche muss sich reformieren. Wer von Gottes Liebe redet, muss auch so handeln. Für beides ist die Kirche eigentlich da. In Brasilien zum Beispiel setzt sich die katholische Kirche vehement ein für die Rechte der Indigenen. Die sind durch Corona und die Politik dort massiv bedroht.  Oder für die Arbeiter in den Fleischfabriken hier bei uns macht sie sich seit Jahren stark.

Spätestens jetzt muss die katholische Kirche endlich auch ernstmachen mit Menschenrechten und Reformen in ihren eigenen Reihen, etwa beim sogenannten Synodalen Weg oder dem Projekt gegen Missbrauch hier im Bistum Limburg.

Die Täter und Vertuscher des Missbrauchs müssen ihre Verbrechen vollständig bekennen und sühnen. Männer und Frauen müssen in der Kirche die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben und die Sexualmoral muss menschenwürdig sein.  

Dann kommen Menschen wie Christian zwar nicht unbedingt in die Kirche zurück.

Aber sie sehen eine Kirche, die mehr tut, wofür sie da ist:  

Gottes Liebe in dieser Welt zu verbreiten.

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