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Die Schwanenknochen-Flöte: Musik steht am Anfang und am Ende
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Die Schwanenknochen-Flöte: Musik steht am Anfang und am Ende

Heidrun Dörken
Ein Beitrag von Heidrun Dörken, Evangelische Pfarrerin, Senderbeauftragte für den Hessischen Rundfunk
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Am Anfang war die Musik. Genauer: ein Flötenton. Dieser Gedanke liegt nahe, als ich es sehe: das älteste Musikinstrument der Welt. Eine zierliche Flöte, wunderschön, auch wenn sie nicht vollständig erhalten ist. Immerhin zwölf Zentimeter mit drei Grifflöchern. Sie ist sogar verziert mit zarten Einkerbungen. Kunstvoll gefertigt vor rund 40.000 Jahren im heutigen Schwaben aus dem hohlen Knochen eines Singschwans. 40.000 Jahre! Die berühmten Höhlenmalereien von Lascaux sind dagegen richtig jung, nur 20.000 Jahre alt.

Die Schwanenkopfflöte - ein sensationeller Fund

Die Schwanenknochenflöte ist also sensationell. Neben ihr wurden in den letzten Jahrzehnten sieben weitere Flöten in Teilen gefunden. Heute zu bestaunen in Museen in Stuttgart, Blaubeuren und Tübingen. Inzwischen hat man die Flöten nachgebaut und kann darauf spielen, sehr hohe Töne sind das. Welche Melodien unsere Vorfahren musiziert haben, wissen wir aber nicht. Die Flöten gehören zum UNESCO-Welterbe. Sie sind ein Schatz der Menschheit. Vielleicht wären wir ohne Musik gar nicht im vollen Sinn menschlich.

Der Mensch macht Musik - von Anfang an

Denn am Anfang war der Ton. In mythischer Sprache, in Bildern, erzählt die Bibel von der Erschaffung der Menschen. Sie spricht davon, wie Gott den Menschen aus Erde vom Acker formt, wie ein Künstler. Doch Statuen menschlicher Künstler bleiben stumm. Gott aber haucht die Menschen mit Atem an, mit Geist. Sie erwachen zum Leben. Und sie tönen: vom Schrei bei der Geburt bis zum letzten Seufzer. Und sie machen Musik - offenbar von Anfang an. Die kleine Flöte aus den steinzeitlichen Anfängen unserer Kultur ist ein schöner Beweis.

Musik - ein Moment Ewigkeit

Musik ist menschlich und manchmal göttlich dazu. Wenn sie Gefühle ausdrückt über Worte hinaus: Schöne und harmonische Emotionen, aber auch Zerrissensein und Trauer. Die Musik selbst ruft Gefühle hervor, zum Beispiel, wenn ich ein vertrautes Lied höre und mich gleich heimatlich fühle. Die Musik stellt aber auch dar, was einmal Heimat werden soll. So flüchtig und vergänglich Töne sind, empfinden doch viele durch sie einen Moment Ewigkeit. Manche halten Johann Sebastian Bachs Musik für einen musikalischen Gottesbeweis. Oder fühlen sich bei Mozart, den Beatles oder ganz anderen Melodien wie im Himmel.

Das Lied des Mose

Meiner jüdischen Kollegin, der Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck, verdanke ich den Hinweis, dass in jüdischer Theologie die Musik nicht nur zu unseren Anfängen gehört. Auch am Ende steht ein Lied. Nach vielen Geschichten und Gesetzen steht am Ende der Tora, dem 5. Buch Mose, ein Lied – das Lied des Mose. Mose hat also nicht nur die zehn Gebote vermittelt, diese wichtigen Sätze, die ermöglichen, dass Menschen friedlich zusammenleben. Am Ende seines Lebens hat Mose laut biblischer Überlieferung gesungen. Mose gibt Gott mit einem Lied die Ehre. Ich verstehe das so: Vom Anfang bis zum Schluss gehört zur Menschlichkeit nicht nur Recht und Gesetz. Sondern ebenso das Schöne: das beschwingte Hören, Singen und Musizieren.   

Am Anfang war Musik. Am Ende hoffentlich auch.

 

Literatur: Susanne C. Münzel, Nicholas J. Conrad: Flötenklang aus fernen Zeiten. Die frühesten Musikinstrumente, in: Eiszeit. Kunst und Kultur, hrsg. v. Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg u. d. Abt. Ältere Urgeschichte u. Quartärökologie der Universität Tübingen, Osterfildern 2009, S. 317 ff.

Rabbinerin Prof. Dr. Elisa Klapheck äußerte sich über 5. Mose 32 am 30. November 2019 in der Alten Oper Frankfurt/Main bei dem Konzert „Mein Lieblingsstück“. Mehr zur Frankfurter Gemeinde: http://www.minjan-ffm.de/

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