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Die Axt am Schrank
Bild: Pixabay

Die Axt am Schrank

Christoph Wildfang
Ein Beitrag von Christoph Wildfang, Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Mein älterer Bruder hat mich in unser Elternhaus bestellt. Es ist bereits verkauft. Die Mutter ist schon lange tot, mein Vater, 91, glücklich in einem Seniorenheim an der Havel in Berlin. Zu schnell ging sein Weggang aus unserem Elternhaus. Baujahr 1963. Wir waren dort mal vier Kinder. Eine ziemlich glückliche Kindheit in den 60ern und 70ern.

Nun muss alles raus. Schon vor Wochen haben wir Geschwister friedlich alle schönen Dinge aufgeteilt. Einiges ist in Berlin in Vaters Zwei-Zimmer-Wohnung. Manches steht bei mir und bei meinen Geschwistern. Nun stehen wir im ziemlich leeren Elternhaus. Brauchbare Dinge gingen an Wohlfahrtsorganisationen. Aber die nahmen nicht alles. Die letzten großen Einbauschränke müssen noch raus. Solche Möbel sind out. Nur furniert, das kriegt man ja kaum mehr stabil zusammen. Und Neues in manchen Möbelhäusern auch nicht weiter teuer.

Es ist schon wehmütig. Das „gute“ Wohnzimmer. Große repräsentative Schrankwände. Ich habe eine Axt mitgebracht. Mein Bruder ist entsetzt. Mit so einer großen Axt warst du im Zug? Aber die Schrankwände müssen so klein zerlegt werden, dass alles auf einen Anhänger zur Deponie passt. Mich beschleicht ein schlechtes Gefühl. Früher kam da kein Kratzer dran. Die schmucke Schrankwand beherbergte lauter kleine Kostbarkeiten. Ich öffne noch einmal die eingebaute Hausbar. Spiegelndes Glas in Rot, als Kind fand ich das geheimnisvoll und schön. Mein Bruder schaut auf die Uhr. Um halb vier ist die Deponie zu. Ich hole mit der Axt aus und schlage die obere lange Schrankplatte aus ihrer Verankerung. Es splittert. Eine Stunde später ist alles auf dem Hänger.

Es ist nicht leicht, Abschied zu nehmen von einem Ort, der einem lieb war. Es muss sein, aber es schmerzt. Wir Brüder ruhen eine Weile aus. Sitzen auf zwei Pappkartons. Und erzählen. Von früher. Von guten Zeiten in unserem Elternhaus. Als wir Kinder waren. Es tut gut, die schönen Momente in diesem Haus im Herzen zu teilen.

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