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Dem Zweifel Raum geben
Bild: Tumisu/Pixabay

Dem Zweifel Raum geben

Claudia Rudolff
Ein Beitrag von Claudia Rudolff, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel
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"Dem Zweifel im Haus meines Denkens einen Platz einräumen".
Das rät Marion Küstenmacher, eine deutsche Autorin unserer Zeit.
Sie ist überzeugt: Zweifel bringen weiter.
So ganz überzeugt bin ich hingegen nicht. Zweifel verunsichern mich eher.

Ohne Zweifel - keinen Fortschritt

Marion Küstenmacher hält dagegen: Das Zweifeln hat doch vieles vorangebracht: Was wäre, wenn große Geister wie Martin Luther und Albert Einstein die Weltbilder ihrer Zeit nicht angezweifelt, sondern einfach hingenommen hätten? Was wäre, wenn Menschen wie Nelson und Winnie Mandela und die "Black Lives Matter" - Bewegung den Rassismus ihrer Zeit nicht angezweifelt, sondern einfach hingenommen hätten?

Ohne Zweifel kein Fortschritt. So gesehen sind Zweifel wichtig.
Sie bringen mich dazu, mein Denken und Handeln neu zu überdenken.
Oft kann ich das nicht allein. Deshalb suche ich das Gespräch mit anderen. Manchmal gibt es dabei sogar Streit.

Ohne Zweifel - keinen Fortschritt

Doch solche Streitgespräche bringen oft neue Erkenntnisse.

Ein konkretes Beispiel finde ich in der Bibel. Einige Pharisäer und Schriftgelehrte streiten mit Jesus, weil sie überzeugt sind: Er verstößt gegen ihre Gebote. So beobachten sie Jesus, wie er mit seinen Jüngern an ihrem heiligen Tag, dem Sabbat, durch ein Kornfeld läuft. Die Jünger sind hungrig.
Deshalb reißen sie Ähren aus und essen sie. Für die Pharisäer übertreten sie damit zweifelslos das Gebot, den Sabbat zu heiligen. Da muss man Ruhe halten, darf nichts tun.

Jesus entgegnet ihnen: Gebote sind gut und richtig. Aber sie müssen auch Platz lassen, um Menschen in Not zu helfen.

Das eigene Denken und Handeln überdenken

Solche Streitgespräche ermutigen mich, das eigene Denken und Handeln zu überprüfen: Ist das Gebot der Sabbatheiligung uneingeschränkt gültig? Wo ist es besser, mich an dem zu orientieren, was der andere braucht?
In diesem Fall, die Jünger nicht hungern zu lassen.

Zweifel können neue Wege weisen

Dazu regt Jesu mich an: Mut zu haben Dinge und Anweisungen neu zu überdenken, Mut zu haben, immer mal wieder zu zweifeln. Manchmal sogar den Zweifel zu loben, denn er macht mich wach. Er hilft mir auf jeden Fall, den Dingen auf den Grund zu gehen. Manchmal bestätigt er mich in meinem Handeln, weil es der Prüfung des Zweifels standhält. Manchmal bewahrt mich der Zweifel davor allzu schnell zu vertrauen. Und ab und zu weist er mir neue Wege. Auch im Glauben zweifle ich von Zeit zu Zeit. Gibt es Gott wirklich? Beweisen kann ich ihn ja nicht. Doch aus dem Zweifel am Glauben geht bislang meine Sehnsucht nach Gott immer noch gestärkt hervor.

Deshalb möchte ich Marion Küstenmacher folgen und dem Zweifel im Haus meines Denkens einen Platz einräumen.

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