Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Blütenzweige im Dezember
Foto: by alicja cc0-gemeinfrei pixabay/pfarrbriefservice

Blütenzweige im Dezember

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
Beitrag anhören:

Seit einigen Monaten fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ich genieße das sehr: Den Wind im Gesicht, am besten die Sonne auf der Haut und die Natur um mich herum. Ich habe nämlich Glück: Der größte Teil meiner Wegstrecke führt am Rhein entlang und durch die Natur.

Jeden Tag komme ich an einem alten Apfelbaum vorbei, und ich freue mich, dass er mir die Jahreszeiten zeigt und mich ihren Wandel erleben lässt. Jetzt im Winter ist er kahl. Ein paar verhutzelte Äpfelchen hängen in den blattlosen Zweigen und die Äste schwanken im Wind. Ich erinnere mich: Im Frühling hat er weiß geblüht, mit einem Hauch von Rosa, und im Sommer hatte er süße kleine Äpfel.

Ich weiß, er wird auch im nächsten Frühjahr blühen. Diese Hoffnung habe ich, weil ich den Apfelbaum schon gesehen habe, wie er im Frühling geblüht hat. Wie könnte ich mir sonst so sicher sein?

Es ist ein Geschenk, eine Gnade, sich so sicher sein zu können.  Die Heilige Barbara war sich sicher, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, obwohl sie es nicht gesehen hatte. Und sie war sich sicher, dass es sich lohnt, für den christlichen Glauben zu sterben. Heute, am Tag der Heiligen Barbara, denke ich an ihre Legende: Von der Heiligen Barbara wird erzählt, dass sie als junges Mädchen von ihrem Vater in einen Turm gesperrt wurde, weil sie sich hatte taufen lassen. Für den Vater war das unverständlich und inakzeptabel.

Um Barbara zum Umdenken zu zwingen, ließ er sie einsperren. Angeblich verfing sich auf dem Weg ins Gefängnis ein Kirschzweig in ihrem Mantel und brach ab. Barbara stellte ihn ins Wasser und soll gesagt haben: „Du schienst tot, aber bist aufgeblüht zu schönem Leben. So wird es auch mit meinem Tod sein. Ich werde zu neuem, ewigen Leben aufblühen.“

Auch wenn es nur eine Legende ist, hat sich der Brauch bis heute erhalten, am 4. Dezember Kirsch- oder Apfelzweige in eine Vase zu stellen. Wenn sie bis Weihnachten blühen, gilt das als gutes Zeichen für das neue Jahr.

Ich werde heute auch ein paar Zweige in eine Vase stellen. Sie erinnern mich in diesem Jahr besonders an den unerschütterlichen Glauben an die Auferstehung.

Und jeden Tag, wenn ich an dem alten Apfelbaum vorbeiradele, denke ich an die Hoffnung, die in den kahlen Zweigen steckt und die sich erst im Frühling zeigen wird. Der alte Apfelbaum tröstet mich auf diese Weise am Ende dieses Jahres: Denn es sind dieses Jahr liebe Menschen in meiner Nähe viel zu früh gestorben, und ich trauere um sie. Ich sehe die kahlen Zweige und vertraue darauf: Sie werden zu neuem Leben erwachen. Und so hoffe ich darauf, dass es den lieben Verstorbenen gut geht. Ich hoffe: Sie sind aufgeblüht zu neuem Leben und auch für die Trauernden wird irgendwann der Winter vorbei sein und in ihrem Leben blühen rosa-weiße Blüten.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren