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Aufblühen
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Aufblühen

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim

Draußen zu sein, im Park, im Wald oder zwischen Feldern spazieren zu gehen ist für viele Menschen ein Genuss für alle Sinne. Je nach Tageszeit sind unterschiedliche Vögel zu hören, der Wald spendet Schatten und je nach Jahreszeit verströmt er moosigen Geruch oder Bärlauch steigt in unsere Nase. Der Park verführt durch seine Farbenpracht die Augen und manch einer spürt, wie sich die oft klaren und wohl angeordneten Strukturen der Beete in seinem Inneren widerspiegeln.

Draußen zu sein stärkt das Wohlbefinden. Es verwundert deshalb nicht, dass laut einer aktuellen Umfrage der Bundesregierung die Natur für 94% der Deutschen zu einem guten Leben dazu gehört.

Der Aufenthalt in der Natur hat aber auch gesundheitlich messbare Vorteile. Was viele Menschen intuitiv erfahren, ist wissenschaftlich belegt. Wer eine Stunde im Wald ist und einfach nur ruhig läuft ohne sich anzustrengen, der hat danach einen niedrigeren Blutdruck, und elastischere Arterien. Wohnen in der Nähe von Grünanlagen senkt das Risiko für Diabetes und Schlafstörungen. Wer im Krankenhaus nach draußen ins Grüne schaut, dessen Heilungschancen sind besser als wenn sein Blick nur Beton fällt.

Die Nonne Hildegard von Bingen hat bereits im zwölften Jahrhundert von der Heilkraft der Natur geschrieben. Sie war eine der bedeutendsten Frauen des Mittelalters: Ordensfrau, Theologin und Natur- und Heilkundige. Noch heute ist ihr Name für viele Menschen mit dem Wissen um die Heilwirkungen von Kräutern und Pflanzen verbunden. Ein Begriff kommt in ihren Schriften immer wieder vor: Viriditas. Das Wort wird häufig mit „Grünkraft“ oder „grünender Lebenskraft“ übersetzt. Für Hildegard von Bingen ist es die Kraft, die in der Natur, im Kosmos und auch im Menschen wirkt. In der Natur bewirkt sie das Keimen und Wurzeln im dunklen Erdboden, das Blühen und Wachsen und schließlich im Herbst die Reifung der Früchte.

Für Hildegard von Bingen ist die Grünkraft eine geheimnisvolle göttliche Kraft. Sie findet sie nicht nur in der äußeren Natur, sondern auch im Menschen: „Die Seele ist die grünende Kraft des Leibes“, so schreibt sie. Wenn wir über einen Menschen sagen: „Der ist richtig aufgeblüht…“ dann nehmen wir wahr, wie eng Seele und Natur zusammenhängen: Da wirkt jemand frisch, belebt und voller Spannkraft. Das kann man spüren und sehen.

Mich fasziniert dieses alte Wissen. Die äußere Natur und unsere Seele sind miteinander verbunden. Deshalb kann ein Durchstreifen und Durchwandern der Natur so heilsam sein. Für Hildegard von Bingen ist das ein Geschenk Gottes.

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