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Wie geht man mit Fehlern um?
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Wie geht man mit Fehlern um?

Pia Baumann
Ein Beitrag von Pia Baumann, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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„Wie dumm muss man sein, einen Fehler zweimal zu begehen?“ fragte Anfang des Jahres der grüne Politiker Robert Habeck. Was war passiert? Dieses Jahr sind Landtagswahlen in Thüringen. Die Partei „Die Grünen“ hatte ein Wahlkampf-Video auf Twitter hochgeladen. In diesem Video sagt Robert Habeck: „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land.“ Angeblich hatte er sagen wollen: „dass Thüringen ein demokratisches Land bleibt.“ Hatte er aber nicht. Er sagte „wird“. Viele ärgerten sich über diese Aussage. Nicht nur Thüringer.

Und es war für ihn nicht der erste Fauxpas. Im Oktober hatte er im bayrischen Landtags-Wahlkampf in einer Twitter-Nachricht gesagt: Die Alleinherrschaft der CSU in Bayern wird ein Ende haben. Und er fügte hinzu: „Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern“. Auch dafür war er heftig kritisiert worden. Zu recht.

Er zog Konsequenzen. Er gab zu, Fehler gemacht zu haben, besserwisserisch und überheblich gewesen zu sein. Er entschuldigte sich öffentlich und ist aus der Kommunikation in den sozialen Medien ausgestiegen. Kein Twitter, kein facebook mehr. Keine schnellen, unüberlegten Worte.

„Wie dumm muss man sein, einen Fehler zweimal zu begehen?“ Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Menschen machen sie immer wieder, manchmal auch denselben mehrmals. Das ist normal. Das Gute an Fehlern ist: Sie helfen uns, uns weiterzuentwickeln und zu lernen. Deswegen heißt es ja auch: Aus Fehlern wird man klug.“

Ich finde, das kann stimmen. Es gibt Fehler, die machen mich klüger. Weil ich durch sie weiß, wie es besser oder richtig geht. Als Jugendliche habe ich mal versucht, meine Locken mit dem Bügeleisen glatt zu bügeln. Das ist schief gegangen. Das Ergebnis war ein Besuch beim Friseur, eine Kurzhaarfrisur und eine neue Einstellung zu meinen Locken. Hinterher ist man ja immer schlauer.

Aber so manchen Fehler hätte ich lieber nicht gemacht. Weil ich jemanden durch einen unüberlegten Satz verletzt habe. Weil ich jemandem geschadet habe. Absichtlich oder unabsichtlich. Ich schäme mich dafür. Am liebsten wäre es mir, niemand merkt es. Ich will es ja selber nicht wahrhaben.

Dann dachte ich: „Wie konnte ich nur?“ Und: „Das hätte nicht passieren dürfen.“ Und jedes Mal habe ich mir vorgenommen, keine Fehler mehr zu machen. Aber kann man das überhaupt?Keine Fehler machen?

Kein Mensch kann Fehler vermeiden. Das ist uns in die Wiege gelegt. Um das zu verstehen, muss man ganz vorne anfangen. Buchstäblich bei Adam und Eva. In der Bibel wird erzählt, wie Gott die Welt hat entstehen lassen. Wie sich das eine aus dem anderen entwickelt hat. Vom einfachen Lebewesen bis hin zum Menschen. Die Geschichte will nicht erklären, was wirklich passiert ist. Sie fragt danach, warum die Welt und vor allem, warum der Mensch so ist, wie er ist. Warum wir nicht nur Gutes, sondern auch Böses tun. Oder anders gesagt, warum wir immer wieder auch Fehler machen.

Vor über 3000 Jahren hat man sich das so erklärt: Gott schuf zwei Menschen. Adam und Eva. Sie lebten in einem großen Garten. Eden genannt. Sie waren nach Gottes Ebenbild geschaffen. Sie waren unschuldig. Wie kleine Kinder. In der Mitte des Gartens wuchsen zwei Bäume. Der eine war der Baum des Lebens. Der andere war der Baum der Erkenntnis. Wer von seinen Früchten aß, wurde fähig, zu unterscheiden, zwischen dem, was gut ist und was schlecht.

Adam und Eva durften von allen Früchten im Garten essen. Nur nicht von diesem Baum. Würden sie es doch tun, würden sie ihre Unschuld verlieren. Sie würden das Gute, aber auch das Böse erkennen können.  Es kam, wie es kommen musste.

Die Versuchung war zu groß. Adam und Eva essen von der verbotenen Frucht. Da betritt Gott den Garten. Adam und Eva verstecken sich. Ihr Fehler ist ihnen peinlich. Aber vor Gott können sie sich nicht verbergen. Sie müssen sich zeigen. Zuerst versuchen sie sich rauszureden. „Ich wollte nicht essen, sie hat mich überredet. Sie ist schuld.“ „Wer, ich? Gar nicht wahr, die Schlange hat mich angestiftet. Sie war‘s“ Aber alle Ausflüchte nutzen nichts. Am Ende stehen Adam und Eva ganz schön bloß da. So ist das, wenn man etwas falsch macht und versucht, es zu vertuschen, es abzuwälzen auf andere. Es zu leugnen. Irgendwie, irgendwann kommt es doch ans Licht.

Die Geschichte von Adam und Eva lehrt mich: Meine Fehler kann ich nicht verstecken. Vor Gott sowieso nicht, aber auch nicht vor mir selbst. Denn ich bin in der Lage zu erkennen, was richtig ist und was falsch. Ich weiß in der Regel, wann ich einen Fehler gemacht habe. Die Frage ist nur: Wie mache ich das: Mich zu meinen Fehlern zu bekennen?

Wie gehe ich mit Fehlern um? Mit meinen eigenen und mit den von anderen? Das kann man üben. Denn Fehler spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle. Kinder lernen nicht nur durch Nachahmung, sondern auch aus Fehlern. Ein Beispiel: In der Grundschule meiner Kinder gibt es eine strikte Regel:  Eltern dürfen nur in Ausnahmefällen bei den Hausaufgaben helfen. Die Lehrer wollen sehen, welche Fehler die Kinder machen. Nicht um sie zu tadeln, sondern um mit ihnen gemeinsam zu schauen, was sie daraus lernen können.

Und in modernen Unternehmen hat man erkannt, dass Fehler bei der Arbeit keine Schwäche sein müssen. Im Gegenteil, in ihnen steckt das Potential: Es kann besser werden. Eine Fehlerkultur ist ein Qualitätsmerkmal geworden. Mitarbeiter sollen ihre Fehler nicht aus Angst oder Scham verschweigen und schon gar nicht unter den Teppich kehren. Denn das hilft niemandem weiter. Es entstehen nur weitere Fehler.

Natürlich gibt es Unterschiede bei Fehlern. Es ist etwas anderes, ob ich ein Wort falsch schreibe, eine Aktenablage falsch organisiere oder ob durch meinen Fehler Menschen sich verletzt fühlen. Oder sogar zu Schaden kommen.

Aber eines, glaube ich, haben alle Fehler gemeinsam: Wer offen sagen kann „Ich war’s.“ „Das ist mein Fehler.“ „Ich stehe dafür ein“, bei dem ist mit einem Schlag die Angst weg, entdeckt, erwischt zu werden. Der oder die muss sich nicht mehr verstecken, nicht mehr lügen oder sich rausreden.

Robert Habeck hat das so gemacht. Er hat seinen Fehler benannt und für sich etwas daraus gelernt. Er wird die sozialen Medien nicht mehr nutzen. Viele behaupten, dass sei ein neuer Fehler. Ob das stimmt, das wird man sehen. Ich jedenfalls finde es  mutig. Die Wahrheit sagen. Den Fehler zugeben. Das braucht innere Stärke.

Woher sie andere bekommen, weiß ich nicht. Aber ich weiß: Wenn ich einen schlimmen Fehler mache, dann suche ich zuerst Kraft und Hilfe in meinem Glauben. Da bin ich wieder bei der Geschichte von Adam und Eva.

Adam und Eva müssen ihren Fehler zugeben. Und er hat Konsequenzen. Sie können nicht weiter im Garten Gottes leben. Sie müssen hinaus in die Welt. Sie sind jetzt verantwortlich für das, was sie tun. Sie sind sozusagen erwachsen geworden. Sie müssen selber entscheiden, was richtig ist und was falsch.

Gott lässt sie gehen. Aber er bleibt den Menschen treu und macht ihnen Kleider, die sie schützen sollen. Diese Kleider werden Adam und Eva nicht davor bewahren, neue Fehler zu machen. Aber sie sind ein Zeichen, dass Gott die Menschen nicht allein lässt. Das hilft mir, meinen eigenen Fehlern ins Auge zu blicken und hoffentlich immer wieder sagen zu können „Es tut mir leid. Ich war’s.“ Denn ich glaube daran, egal, was ich falsch gemacht habe: Gott ist bei mir. Ich kann nicht tiefer fallen, als nur in seine Hand.

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