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Von Bunkern, Schuld und Vergebung
Bild: Norbert Mecke/Privat

Von Bunkern, Schuld und Vergebung

Norbert Mecke
Ein Beitrag von Norbert Mecke, Dekan, Evangelischer Kirchenkreis Melsungen
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Im Sommerurlaub war ich in diesem Jahr an der dänischen Nordseeküste. Herrlich: Sommer, Sonne, Sand und Meer. Leider aber auch mehr mit „h“. Denn man schlendert in bester Stimmung am Strand und stößt plötzlich auf die Relikte der Vergangenheit: Betonbunker aus dem Zweiten Weltkrieg – so massiv, dass jegliche Sprengversuche gescheitert sind. So ist es auch in Normandie und Bretagne.
Es ist als deutscher Urlauber irgendwie peinlich. Wo jeder gerne die Seele baumeln lassen und sich unbekümmert Seeluft um die Nase wehen lassen will, erinnern die Brocken daran, welche Betonköpfe Menschen sein können.

Klar, man lebt seit 75 Jahren wieder friedlich miteinander. Und doch wird man erinnert: Schuld verläuft sich weder einfach im Sand noch wird sie weggespült. Leider wächst auch das berühmte Gras nicht einfach drüber.

So ist das wohl auch da, wo ich an Menschen schuldig geworden bin. Wer weiß, wem das noch immer schwer im Magen und im Wege liegt!

Am dänischen Strand in Blavand, etwas nördlich von Esbjerg, hat man aus Schwertern Pflugscharen gemacht: Aus Kriegskunst wurde Strandkunst. Der britische Künstler Bill Moodrow hat mehrere Bunker, die mitten auf dem breiten Strand stehen, mit einem riesigen Eselskopf und Eselsschwanz aus rostigem Metall bestückt. Aus hässlichen Kriegsklötzen wurden sanftmütige Lasttiere. Ein Friedensmahnmal seit 1995 – 50 Jahre nach Ende des Weltkrieges.

In diesem Sommer stand ich neben einem solchen Bunker-Esel und habe gedacht: Was für eine Eselei, wo Menschen sich wie Betonklötze verhalten: stur und unbeweglich. Was für Eseleien, wo ich schuldig werde oder etwas schuldig bleibe?!
Wie gut, dass Versöhnung möglich ist. Ich kann nach Dänemark fahren und bin willkommen. Und nach Frankreich. Sollte Versöhnung dann nicht auch da möglich sein, wo ich Dinge verbocke? Vergeben ist nicht vergessen, aber ein Neuanfang. Das, was war, wird nicht mehr aufgerechnet.

Für Vergebung braucht es jemanden, der viel Kraft aufbringt. Die Kraft zu ertragen und zu schultern, was ich ihm gegenüber falsch gemacht habe. Vergebung ist Sache der Mutigen. Der „Sanft-Mutigen“. Derer, die sich irgendwann mutig entschließen, sanft zu sein mit mir und meinen Fehlern.

Hoffentlich hat das jeder schon einmal erleben dürfen!

Die Bunker in Blavand zeigen: Ungeschehen können wir nichts machen. Aber wie wir mit Geschehenem umgehen – das verlangt: echte Kunstfertigkeit!

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