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Steh auf und iss
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Steh auf und iss

Irmela Büttner
Ein Beitrag von Irmela Büttner, Evangelische Pfarrerin, Offenbach-Bieber
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Meine Füße schlurfen die Treppenstufen hinauf zur Wohnungstür. Ich schließe auf und lass die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Puuh, ich atme einmal tief durch. Es ist Nachmittag und ich habe einen langen Tag hinter mir. Jetzt ist es Zeit eine Pause zu machen. „Ich habe Tee gemacht“, ruft es aus der Küche. Mein Mann ist da. Manchmal hat er einfach die richtige Ahnung, denke ich, denn ein Tee ist genau das, was ich jetzt brauche. „Oh danke, Du bist super!“, sage ich und gebe ihm einen Kuss.

Ob Tee oder Kaffee, vielleicht auch noch einen Keks dazu, es gibt manchmal liebe Menschen auf der Welt, die einem solche Geschenke machen, nicht nur an anstrengenden Tagen, auch in schwierigeren Situationen.

Als mein Schwiegervater im Sterben lag, haben wir ihn als Familie in seinen letzten Tagen begleitet. Tag und Nacht saß immer jemand an seinem Bett. Drumherum musste so viel organisiert werden, Ärzte kamen und gingen, der Pflegedienst, die Pflegeversicherung. Die ganze Situation zehrte an unseren Kräften. Alltägliche Dinge wie Einkaufen, Putzen, Kochen waren nur noch schwer zu bewältigen.

Da war es wunderbar, immer wieder einen frisch gebackenen Kuchen vor der Haustür zu finden. Freunde brachten ihn uns. Manchmal lag noch eine Blume dabei oder eine Kerze. Normalerweise würde ich nie so viel Kuchen essen, aber in dieser Zeit hat das so gut getan. Wir mussten uns nicht kümmern, es war immer etwas da. Das war eine große Erleichterung. So konnten wir immer mal wieder eine kurze Pause machen, durchatmen, die Kräfte wieder auffüllen.

Das gilt nicht nur, wenn ein Leben zu Ende geht, sondern auch, wenn neues Leben beginnt. Eine Freundin von mir hat sich so gefreut, als sie zur Geburt ihres Sohnes statt dem xten Strampler oder Kuscheltier einfach mal einen großen Topf selbstgekochte Suppe geschenkt bekam. Denn in dem ganzen Chaos, was da mit der Geburt über sie hereingebrochen war und in der ganzen Erschöpfung reichte die Kraft einfach nicht, sich an den Herd zu stellen und zu kochen.

Bei Abschied und Trauer oder am Beginn eines neuen Lebens, an einem anstrengendem Tag oder in einer Woche voller Arbeit: Da brauche ich ab und zu jemanden, der mir sagt: „Komm, stärke dich, da ist noch ein Weg, der vor dir liegt.“

Der Prophet Elia liegt in der Wüste, am Ende seiner Kräfte, so erzählt es die Bibel. Alles fühlt sich schwer und matt an, die Arme, die Beine, der Kopf. Wie soll das gehen, aufstehen, weitergehen? Unmöglich. Von alleine schafft Elia das nicht. Er will einfach nur liegenbleiben.

Die Wüste, ein Bild für die Situationen im Leben, in denen es so einfach nicht weitergeht. Karge Landschaft, Dürre, kein Wasser, keine Nahrung, nur endloser Sand. Da braucht es schon eine gehörige Portion Kraft und Energie, um einen Weg hinaus zu finden. Elia aber hat keine Kraft und Energie. Es könnte jetzt auch zu Ende sein, denkt er.

Da kommt ein Engel Gottes, stellt Brot und Wasser neben Elia und sagt: „Steh auf und iss, denn du hast noch einen weiten Weg vor dir.“ Da weiß Elia: Es ist nicht das Ende, da liegt noch etwas vor mir, und da ist jemand, der sorgt für mich.

Manchmal brauche auch ich einen Engel, der mir zeigt: Es geht weiter. Das Leben ist größer, schöner und weiter, als ich es im Moment glaube. Einen Engel, der meinen Blick weitet, der mir aufhilft, langsam, behutsam. Der Brot und Wasser neben mich stellt, so wie es die Bibel erzählt. Oder einen Engel, der mir einen Tee kocht, einen Kuchen vor der Haustür stellt, einen selbstgekochten Topf Suppe vorbei bringt. Jemand, der mir sagt: „Steh auf und iss, denn du hast noch einen weiten Weg vor dir.“

Diese Engel können Freunde sein oder Nachbarn, mein Mann, vielleicht auch eine Schwester oder ein Pfleger im Krankenhaus. Und es kann sein, dass ich durch ihre Hilfe und Zuwendung hindurch Gottes Ruf höre: Ich bin da, steh auf, es gibt noch so viel, was auf dich wartet. So wie bei Elia und dem, was Gott ihm gesagt hat. Ich bekomme eine Ahnung: Da ist jemand, der mich auch durch die größte Erschöpfung hindurchträgt, Der auch dann da ist, wenn ich eigentlich denke, ich bin am Ende. Da ist ein Weg für mich, auch wenn ich ihn manchmal nicht sehe. Gott aber sieht den Weg und hilft mir, ihn zu gehen.

Das Leben ist groß und weit und voller Möglichkeiten. Manchmal muss ich dabei durch Wüsten gehen, wie der Prophet Elia, durch Zeiten der Erschöpfung. Manchmal brauche ich auch eine kleine Stärkung zwischendurch.

Christinnen und Christen haben dafür ein Ritual. In der evangelischen Kirche nennen wir es Abendmahl. Wir teilen Brot und Wein, so wie es in der Bibel steht. So hat es Jesus gemacht hat mit seinen Jüngern, kurz bevor er am Kreuz gestorben ist. Er wollte ihnen ein Zeichen geben: Ich bleibe bei Euch, auch wenn ihr mich nicht mehr seht.

In meiner Kirchengemeinde gibt es Mitglieder, die hören nicht mehr gut. Sie verstehen nicht, was im Gottesdienst gesagt wird. Aber beim Abendmahl spüren sie, dass Gott bei ihnen ist. Kleine Kinder segne ich, wenn sie mit ihren Eltern zum Abendmahl kommen. Und unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden fanden es super, als wir auf dem Konfirmandenwochenende das erste Mal in unserer Gruppe Abendmahl gefeiert haben. Sie haben selber den Abendmahlstisch gedeckt und wir haben gemeinsam die Worte gesprochen, die Jesus zu seinen Jüngern gesagt hat Das, was in den Gottesdiensten nur der Pfarrer oder die Pfarrerin sagt.

Auf Wunsch kommen Pfarrerinnen und Pfarrer auch gern zu Kranken und Sterbenden. Mit dabei: Ein Koffer mit einem kleinen Kelch, einem kleinen Teller, etwas Wein oder Traubensaft und etwas Brot. Die Stärkung und der Zuspruch in der Not oder auf dem letzten Weg: Gott geht mit.

Für mich ist das Abendmahl, egal aus welcher Situation ich gerade komme, oft ein großer Trost. Es tröstet mich, denn es stärkt mich von innen. Ich halte inne, mitten am Tag, mitten im Leben und spüre: Gott ist bei mir, durch alle Höhen und Tiefen hindurch.

Heute werden wir wieder Abendmahl im Gottesdienst feiern. Ich freue mich darauf und ich werde daran denken: An die wunderbare Erfahrung, als Freunde uns Kuchen gebracht haben, als wir Abschied nahmen von meinem Schwiegervater. An meine Freundin, die einen großen Topf Suppe geschenkt bekam für die ersten Tage nach der Geburt ihres Sohnes. Und ich denke an Geschichte von Elia. An das, was Gott ihm gesagt hat, denn er sagt es auch mir immer wieder: Steh auf und iss, denn Du hast noch einen weiten Weg vor dir. Ich bin bei dir.

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