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Sich für das Leben einsetzen
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Sich für das Leben einsetzen

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim

Vielleicht haben Sie die Meldung in der Zeitung überlesen. Das kann passieren, denn es waren nur fünf Zeilen. Die Krankenschwester Ola aus Israel hat für Aufsehen gesorgt. Sie arbeitet in einem Krankenhaus in Jerusalem. In dieses Krankenhaus ist eine palästinensische Frau nach einem Unfall eingeliefert worden, sie liegt im Koma. Ihren Mann hat sie bei dem Autounfall verloren. Ihr neun Monate altes Baby ist nur leicht verletzt, zum Glück. Aber es schreit. Es hat Hunger. Das Baby ist bislang von seiner Mutter gestillt worden und es verweigert nun jeden Versuch, aus der Flasche zu trinken. Die Verwandten der Familie sind verzweifelt. Sie wissen nicht, wie sie dem Baby helfen sollen. Dann kommen sie auf eine Idee. Sie suchen eine Amme, eine Frau, die das Baby stillen kann, obwohl es nicht ihr eigenes ist. Die israelische Krankenschwester Ola zögert nicht. Sie ist selbst stillende Mutter. Sie legt das fremde Baby an die Brust. Binnen Minuten ist das hungrige Baby zufrieden. Es wird satt.

Eine israelische Krankenschwester stillt das Baby einer palästinensischen Frau. Das ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch mutig. Mutig, weil sich die Krankenschwester Ola aus Israel über die Feindschaft zwischen Israelis und Palästinensern hinwegsetzt. „Jede Mutter würde das tun“, so erklärt sie ihr Verhalten. Sie stellt das ganz elementare Bedürfnis des Säuglings über die Erbitterung und den Hass, der zwischen Israel und Palästina herrscht. Sie handelt menschlich.

Die Geschichte von Ola war nur eine kleine Meldung in der Zeitung. Sie ging aber noch weiter, und das hat kaum jemand berichtet. Nach ihrer Schicht hat Ola über Facebook eine Frau gesucht, die bereit wäre, das Kind weiter zu stillen. In Israel, wo die scharfe Abgrenzung gegenüber den Palästinensern geradezu offizielle Staatsdoktrin ist. Und dann melden sich spontan über 1000 Frauen, die bereit sind, das Kind zu stillen! Ich finde, das ist ein wunderbares Zeichen der Hoffnung.

Denn nicht nur die Krankenschwester Ola, sondern auch alle diese Frauen scheren sich nicht um die Staatsdoktrin, wenn ein Kind in Not ist. Sie setzen sich über die alte, tief sitzende Feindschaft einfach hinweg.

Viele Kinder werden ohne ihr Zutun in eine Welt voller Konflikte hinein geboren, für die sie nichts können. Wie gut, wenn es Menschen gibt, die sich anrühren lassen von der Not der Allerkleinsten.

Die Geschichte von der Krankenschwester Ola war nur eine kleine Meldung in den Tageszeitungen. Aber sie hat viel in Bewegung gebracht. Sie hat bewirkt, dass auch andere Menschen spontan bereit waren zu helfen. Ich glaube, Geschichten wie die von Ola gibt es öfter, wir erfahren sie nur nicht. Dabei wären sie es wert, immer und immer wieder erzählt zu werden.

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