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Liebe deine Feinde
Bildquelle: Keith Johnston/Pixabay

Liebe deine Feinde

Dr. Burkhard Freiherr von Dörnberg
Ein Beitrag von Dr. Burkhard Freiherr von Dörnberg, Dekan, Evangelischer Kirchenkreis Marburg
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„Liebe deine Feinde!“ das ist wohl einer der schwierigsten Sätze bei Jesus.
Also für Jürgen jedenfalls. Der ist nämlich Schalke-Fan. Schon immer.
Ein echter Schalke-Fan, der mit seiner Mannschaft durch dick und dünn geht.
Fan mit religiösem Eifer sozusagen.
Und der Feind ist Dortmund!

Doch dann hat die Wohnungsnot zugeschlagen.
Er zieht in eine WG: zwei Zimmer, Küche, Bad – mit Manfred zusammen.

Und Manfred ist ein echter Dortmund-Fan, der mit seiner Mannschaft durch dick und dünn geht. Fan mit religiösem Eifer sozusagen – wie Jürgen, bloß vom Erzfeind!

Ausziehen geht nicht.
Und so wird in der WG ein Zimmer gelb, eins blau ausstaffiert.
Die Küche bleibt neutrales Gebiet.
Aber vermint. Für Jürgen jedenfalls.
Einem Dortmund-Fan kann man einfach nicht trauen.

Unter der Woche heißt es: so schell wie möglich in mein Zimmer.
Und am Wochenende Hassgesänge grölen im Fanblock.
Natürlich gegen Dortmund und auch gegen Manfred, der sich in sein Leben geschlichen hat.

Doch dann, eines Abends klopft es an der Tür.
Manfred steht davor. Zwei Bier in der Hand.
„Hey, ich hatte n’en harten Tag an der Uni – hast du Lust auf ein Bier?“
Jürgen schweigt – will der ihn provozieren?
Manfred aber schaut sich um. „Cool eingerichtet hast du es bei dir.“ Und tritt ein.

Der Beginn einer echten Freundschaft. Und der Entdeckung: Ich kann ihn verstehen, den Manfred, sogar seine Faszination für diesen anderen Verein.
„Liebe deine Feinde!“ sagt Jesus – und manchmal heißt das, zu entdecken, dass der andere gar nicht mein Feind ist. Wir sind beide Menschen.

Jürgen ist Schalke-Fan geblieben, bis heute. Aber ein etwas anderer.
Hasserfüllt gegen die Dortmunder wüten? Da ist er nicht mehr dabei.
Witze über „die anderen“ macht er zwar immer noch, aber nicht mit der Faust in der Tasche, sondern mit einem Lächeln im Herzen.

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