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Die Extrameile mitgehen
Bild: Pixabay

Die Extrameile mitgehen

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Manchmal lese ich etwas über die Zeit der Bibel, das ich noch nicht gekannt hab. Und dann fühle ich mich wie in einer Zeitmaschine. Vor allem, wenn es um eine Bibelstelle geht, die ich schon zig Mal gehört oder gelesen hab. Die mir aber immer unklar und daher recht blass vorkam. Gerade dann kann eine einzige Hintergrund-Information dafür sorgen, dass ich einen Zeitsprung von 2000 Jahren mache. Und mich in die Bibelstelle richtig hineinversetzen kann. 

So hab ich das gerade bei einer extrem rätselhaften Forderung von Jesus erlebt: Er ruft in der Bergpredigt auf: „Wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.“ (Matthäus 5, 41). Ich hab das immer absurd gefunden: Weshalb sollte etwa in der Fußgängerzone jemand auf mich zukommen und mich zwingen wollen, ihn zum Museum zu begleiten? Werde ich als menschliches Navigationsgerät gekidnappt? Oder als Mittel gegen die Langeweile beim Laufen?

Jetzt weiß ich: Jesus spielt auf ein Gesetz an, das viele Menschen im damals römisch besetzten Palästina aufgeregt hat: Die Legionäre durften jeden männlichen Juden am Straßenrand als Gepäckträger einspannen: Der Zivilist musste ihnen eine Meile weit in jede gewünschte Richtung das Marschgepäck tragen. Das waren immerhin 30 Kilogramm. Verständlich, dass viele das Gesetz demütigend fanden. Deshalb, so hab ich gelesen, war es üblich, dem Legionär am Ende der Meile sein Gepäck wütend vor die Füße zu werfen.  Denn man musste laut Gesetz keinen Schritt weiter mitgehen. Wenn ich aus der Perspektive Jesu Forderung höre, dann wirkt sie nicht mehr blass, sondern provokant. Warum soll ich am Ende der erzwungenen Meile sogar noch eine weitere Meile freiwillig mitgehen und das fremde Gepäck schleppen? Wer macht denn so was?

Ich hab dann darüber nachgedacht und bin mir sicher: Jesus möchte keine Spaßbremse sein, sondern einen Weg aus der Gewaltspirale zeigen. Denn wenn ich auf eine Provokation nicht mit einer Gegenprovokation reagiere, besteht die Chance, dass die uralte Spielregel „Gewalt führt zu Gegengewalt“  zumindest mittelfristig wirkungslos wird. Ich finde: eine sehr aktuelle und wichtige Botschaft. Ich nehme mir vor, sie in meinem Alltag noch stärker zu beherzigen. Und wenn mich jemand provoziert, dann versuch ich den Ärger runterzuschlucken und freundlich zu reagieren. Am Ende tut so eine Reaktion, die deeskaliert, ja oft auch mir selber gut.

 

 

 

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